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Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Im Jemen droht eine neue Ebene an Gewalt

Während die Jemen-Krise am 26. März in das siebte Jahr geht, sind neue Offensiven in Hodeidah, Taiz, Hajjah und Marib entbrannt, Angriffe auf die Zivilbevölkerung nehmen zu und das Land ist unmittelbar von einer Hungersnot bedroht. 21 Hilfsorganisation im Jemen fordern einen sofortigen, landesweiten Waffenstillstand und eine Rückkehr der Konfliktparteien an den Verhandlungstisch.

Häuser von Zivilisten*innen wurde durch Luftangriffe zerstört.

In Hudaida wurden Häuser von Zivilisten*innen durch Luftangriffe zerstört. | © HI

Allein im Februar wurden landesweit 44 Frauen, Kinder und Männer getötet, mindestens 67 Menschen wurden verletzt. In Marib, Taiz, Hajjah und Hodeidah haben sich die Kämpfe besonders intensiviert und bedrohen die Zivilbevölkerung sowie vertriebene Bevölkerungsgruppen, die ohnehin schon unter schwierigsten Bedingungen leben. Der Zugang zu diesen Gruppen bleibt weiterhin eine Herausforderung - Hilfsorganisationen haben Schwierigkeiten, viele dieser vom Konflikt betroffenen Menschen zu erreichen. Aufgrund der neuen Welle an Kampfhandlungen in Marib mussten seit der ersten Februarwoche bereits mehr als 11.000 Menschen fliehen, davon sind rund 70% Frauen und Kinder. Sollten die Kämpfe näher an die Stadt und ihr Umland rücken, könnten weitere 385.000 Menschen vertrieben werden.

Obwohl Hilfsorganisation ihre humanitären Programme in allen erreichbaren Gebieten ausweiten, stoßen sie an ihre Grenzen und sind unterfinanziert. Ein Angriff auf die Stadt Marib würde zu Kämpfen in dicht besiedelten städtischen Wohngebieten führen, was hohe zivile Opferzahlen zur Folge hätte, da die Menschen nicht fliehen könnten und ihr Zugang zu Hilfe abgeschnitten wäre. Hilfsorganisationen haben vor zwei Jahren ähnliche Warnungen ausgesprochen, als eine Offensive auf die Hafenstadt Hodeidah drohte, und nun rufen sie die Konfliktparteien erneut dazu auf, ihre Waffen niederzulegen und die Zivilbevölkerung landesweit zu schützen.

Im Jemen hat sich die Anzahl der Frontlinien inzwischen auf über 50 erhöht, soziale Unruhen und politische Instabilität im Süden des Landes halten an und Kämpfe in Hodeidah gefährden erneut den lebenswichtigen Hafen, über den 70% der Nahrungsmittel, medizinischen Versorgung und sonstigen Gebrauchsgüter in den Jemen transportiert werden. Seit Anfang des Jahres 2021 haben auch die grenzüberschreitenden Angriffe auf Saudi-Arabien zugenommen und die jüngste Runde von Luftangriffen hat auch die Hauptstadt Sanaa getroffen.

In einem Zeitraum von zwölf Monaten, der für den Großteil der Welt durch die Covid-19-Pandemie bestimmt wurde, hat der Jemen eine sich zuspitzende Wirtschaftskrise, eskalierende Gewalt und sich verschlimmernden Hunger erlebt. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr insgesamt 47.500 Menschen hungersnotähnliche Bedingungen erleben werden und weitere 16,2 Millionen werden Hunger leiden und nur einen Schritt von hungersnotartigen Zuständen entfernt sein. Gleichzeitig decken die humanitären Mittel für 2021 nur 44% der tatsächlichen Bedarfe ab.

In Hinblick auf das siebte Jahr des Konflikts müssen der UN-Sicherheitsrat und Regierungen alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um die Kämpfe zu deeskalieren, die Verwendung von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten zu beenden, Zivilbevölkerung, die von den Kämpfen eingeschlossen ist, zu schützen und die Konfliktparteien zurück an den Verhandlungstisch zu bringen.

Zitate zur eskalierenden Gewalt:

CARE Länderdirektor Aaron Brent stellt fest: „Die kämpfenden Parteien müssen fliehenden Menschen in allen Teilen des Landes sichere Wege offen lassen und humanitäre Organisationen müssen ungehinderten Zugang zu den betroffenen Gebieten erhalten, um unverzichtbare und lebensrettende Hilfe zu leisten. Geber müssen außerdem ausreichend Finanzmittel bereitstellen, dass Menschen, die ihr Zuhause verlassen mussten, mit Nahrung, Wasser und angemessenen Unterkünften versorgt werden können. Um eine Hungersnot im Jemen zu vermeiden und damit Menschen sich das Nötigste kaufen können, was sie zum Überleben benötigen, fordern wir die internationale Gemeinschaft auf, die Unterstützung für Jemens Wirtschaft möglichst schnell auszuweiten.“

Kitty Paulus, stellvertretende Länderdirektorin NRC, fügt hinzu: „Während das Land am Rande einer Hungersnot steht, steht Marib an der Belastungsgrenze und in Taiz, Hodeidah und anderen Teilen des Landes flammt der Konflikt wieder auf. Die Kämpfe in Marib gefährden Menschen, die bereits jetzt in unwürdigen Camps und anderen ungeeigneten Unterkünften leben. Diese Camps sollten eigentlich einen sicheren Zufluchtsort darstellen, stattdessen sind sie jetzt zwischen den Fronten gefangen. Sollten die Kämpfe die Stadt erreichen, wären die humanitären Konsequenzen unvorstellbar. Es käme wahrscheinlich zu noch mehr Vertreibung und einer hohen Zahl an zivilen Opfern. Wir rufen die Konfliktparteien deshalb dazu auf, das Kriegsrecht einzuhalten und die Zivilbevölkerung zu schützen. Und wir fordern den UN-Sicherheitsrat dazu auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, um Druck auf beide Seiten aufzubauen, damit sie einem sofortigen landesweiten Waffenstillstand zustimmen und zusammenarbeiten, um eine landesweite Hungersnot zu verhindern.“

Mitzeichnende Organisationen in Deutschland:

  • Save the Children Deutschland e.V.
  • ADRA Deutschland e.V.
  • Ärzte der Welt
  • Aktion gegen den Hunger
  • CARE Deutschland e.V.
  • Handicap International
  • IRC Deutschland
  • Islamic Relief Deutschland e.V.
  • MEDAIR Deutschland
  • NRC Flüchtlingshilfe
  • Oxfam Deutschland e.V.