Seit Beginn der Proteste im März an der Grenze zwischen Gaza und Israel wurden mindestens 128 Menschen getötet und 13.900 verletzt. „Wir fürchten, dass sich der Gesundheitszustand zahlreicher Patienten verschlechtern wird, da der Zugang zu medizinischen Spezialeinrichtungen außerhalb von Gaza stark eingeschränkt ist“, erklärt Bruno Leclercq, Einsatzleiter von HI in Palästina. „Es drohen Folgeschäden und sogar Amputationen in den kommenden Wochen.“ In den letzten Monaten wurden zahlreiche medizinische Evakuierungsgesuche aus Gaza gestellt, doch nur sehr wenige Verletzte durften ausreisen.
Zurück ins normale Leben
Das Reha-Team von HI wartet auf grünes Licht der Ärzte, um mit der Physiotherapie Ahmeds starten zu können. Die psychologische Unterstützung hingegen hat schon begonnen. Diese ist wichtig, um einer Depression vorzubeugen. Außerdem können starke Angstgefühle auftreten – die Angst davor, nie wieder richtig laufen zu können. „Ich will wieder in mein normales Leben zurück. Im Moment kann ich mich nicht einmal alleine bewegen“, erklärt Ahmed etwas verängstigt. „Ich kann nicht mehr wie früher zur Toilette gehen. Ich muss meinen Bruder bitten, dass er mich begleitet. Das ist beschämend. Ich will dieses Gestell an meinem Bein endlich loswerden.“ Seit zwei Wochen wird Ahmed vom mobilen Team von HI begleitet und ist weniger deprimiert. In seiner Genesungszeit wird er noch viel Unterstützung bei der Rehabilitation und den Übungen brauchen. Doch diese werden ihm dabei helfen, wieder ganz normal laufen zu können.
HI-Fachkräfte kümmern sich um die Verletzten
Die Nichtregierungsorganisation Handicap International ist bereits seit 1996 in Gaza tätig. Angesichts der aktuellen Situation hat sie alle ihre Nothilfeteams vor Ort mobilisiert: Über 40 Fachkräfte sind im Einsatz, um den Verwundeten zu helfen, die wegen Überbelegung vorzeitig aus den Krankenhäusern entlassen werden. Diese Teams sind speziell für Reha-Maßnahmen und Notfallsituationen geschult und arbeiten mit Geräten und Ausrüstungen, die schon in Gaza bereitstehen. So werden sie in den kommenden Monaten mehr als 1.500 Verletzte versorgen können.
Viele Verletzte sind Kinder
Laut der Weltgesundheitsorganisation haben 3.778 Menschen Schussverletzungen, davon sind 1.191 Kinder. Mindestens 2.604 leiden an Schussverletzungen der unteren Gliedmaßen: „Die Patienten, die wir in ihrem Zuhause behandeln, haben völlig zerstörte Schienbeine. Ihr Gewebe ist zerrissen und die Knochen zertrümmert – dies ist mit Kriegsverletzungen vergleichbar“, stellt Bruno Leclercq fest. Die Genesung wird lange dauern und erfordert über mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre, Operationen, Physiotherapie und Reha-Maßnahmen. Angesichts der Gewaltausbrüche, fordert HI die Konfliktparteien und die internationale Gemeinschaft auf, den Schutz der Zivilbevölkerung, des medizinischen Personals sowie der humanitären Helfer/-innen sicherzustellen. HI betont ebenfalls, dass die Parteien gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen und fordert sie dazu auf, eine nachhaltige politische Lösung zu finden.