Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Inklusion in der Humanitären Hilfe

Menschen mit Behinderung werden von der humanitären Hilfe oft nicht erreicht, weil sie kaum sichtbar sind. Fortbewegung und Zugang zu Hilfsgütern, Lebensmitteln oder sanitären Einrichtungen sind für sie eine Herausforderung, oftmals auch schlichtweg unmöglich. Handicap International setzt sich dafür ein, dass diese besonders schutzbedürftigen Menschen in der humanitären Hilfe berücksichtigt werden.

Ein Mitarbeiter von Handicap International spricht mit einer beinamputierten älteren Frau über ihre Situation.

Handicap International kümmert sich um die Schutzbedürftigsten im Flüchtlingscamp "Lac Vert", Kongo. | © Till Mayer / Handicap International

In der Nothilfe muss allen geholfen werden!

Jeanette lehnt an einem Zelt in einem Flüchtlingscamp im Kongo und blickt starr in die Kamera.Jeannette Lubira lebt im Flüchtlings-Camp „Lac Vert“ in der Demokratischen Republik Kongo. Bis vor kurzem musste sie dort alle Wege kriechend auf dem Boden zurücklegen, zog sich mit Händen und Armen vorwärts, über die spitzen Steine. Ihre leblosen Beine zog sie hinter sich her. Sogar in den unhygienischen Latrinen musste sie sich kriechend fortbewegen. Ein würdeloses Unterfangen. Nicht nur Jeanette geht es so. Viele Menschen mit Behinderung in Flüchtlingslagern führen ein Leben unter widrigen Bedingungen. Ohne dringend notwendige Hilfsmittel und durch den Verlust ihrer gewohnten Umgebung verlieren sie jegliche Selbstständigkeit. Bei der Verteilung von Lebensmitteln oder anderen essentiellen Gütern kommen sie meist zu kurz. Oft fehlen aber nur ein paar Gehstützen oder ein Rollstuhl.

Eine der besonderen Herausforderungen in der humanitären Hilfe ist es, dass Menschen mit Behinderung nicht vergessen werden dürfen. Sie müssen deshalb sichtbar gemacht und ihre Bedürfnisse müssen ermittelt werden. Die Umwelt – beispielweise in Flüchtlingslagern – muss
für Menschen mit Behinderung barrierefrei gestaltet werden, damit sie Versorgungs- und Anlaufstellen oder sanitäre Einrichtungen erreichen und nutzen können.

Im Camp „Lac Vert“ ist Handicap International inzwischen aktiv, um Menschen wie Jeannette Lubira zu unterstützen. Sie bekam einen Rollstuhl und erlangte so zumindest einen wichtigen Teil ihrer Selbstständigkeit zurück. Auch nach Naturkatastrophen, wie dem Taifun Haiyan, der 2013 über den Philippinen wütete, sorgt Handicap International dafür, dass Menschen mit Behinderung nicht vergessen werden.

Jesus stützt seinen linken Arm auf seinen Gehstuhl, von der rechten Hand spreizt er Daumen und Zeigefinger ab und führt sie zu seinen zusammengepressten Lippen, während er verschmitzt von unten in die Kamera aufblickt.Handicap International errichtet in der Katastrophenhilfe Anlaufstellen „Behinderung und Schutzbedürftigkeit“. Diese sollen die humanitäre Hilfe auf mehreren Ebenen zu den Betroffenen bringen. Betroffenen kann dort entweder direkt geholfen werden, oder sie werden an andere Stellen weitervermittelt. Mobile Teams suchen nach schutzbedürftigen Menschen und ermitteln ihre Bedürfnisse. Nicht zuletzt bieten die Anlaufstellen Informationen und Aufklärung für andere Organisationen über die richtige Einbeziehung von Menschen mit Behinderung in ihr Hilfsangebot. Durch eine der Anlaufstellen „Behinderung und Schutzbedürftigkeit“ auf den Philippinen konnte dem siebenjährigen Jesus geholfen werden, der aufgrund einer Behinderung sein ganzes bisheriges Leben nicht laufen konnte. Nach dem Taifun im November 2013 erhielt er bei einer Anlaufstelle von Handicap International Hilfe in Form eines Gehstuhls. Mit Hilfe des Gehstuhls kann Jesus mittlerweile eigenständig laufen und endlich zur Schule gehen.

Der Humanitäre Weltgipfel 2016 brachte einen großen Fortschritt für Menschen mit Behinderung in der humanitären Hilfe: Die Charta zur Inklusion in der humanitären Hilfe, die bereits von über Hundert Staaten und internationalen Akteuren angenommen wurde.