Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Pressemitteilung, München 03.03.2023

Nordwestsyrien: 1 Monat nach dem Erdbeben – Enormer Bedarf an humanitärer Hilfe für Überlebende

Einen Monat nach den Erdbeben in der Südtürkei und Nordsyrien ist der Bedarf an humanitärer Hilfe nach wie vor immens. Bei den Erdbeben, die am 6. Februar 2023 die Südtürkei und Nordsyrien erschütterten, kamen allein in Syrien rund 6.000 ums Leben, 10.000 Menschen wurden verletzt. Die Hilfsorganisation Handicap International (HI) und ihre lokalen Partner haben mehr als 200 Mitarbeitende in den Nordwesten Syriens entsandt, um den Überlebenden Hilfe zu leisten: Viele werden eine langfristige Rehabilitation benötigen, um ihre Mobilität nach Verletzungen wie Quetschungen, Amputationen oder Rückenmarksschäden wiederzuerlangen. Die Bevölkerung ist durch die Erdbeben und Nachbeben verängstigt und durch die jahrelange humanitäre Krise erschöpft.

"Gemeinsam mit unseren Partnern konnten wir Tausenden von Menschen eine Notfallrehabilitation ermöglichen, viele Verletzte werden langfristig von unseren Rehabilitationsfachleuten betreut werden müssen, viele Menschen stehen immer noch unter Schock, daher planen wir, auch langfristig psychosoziale Unterstützung anzubieten. In den letzten Tagen haben wir in den Krankenhäusern herzzerreißende Szenen erlebt, bei denen Menschen vor Schmerz und Schrecken nahezu den Verstand verloren haben. Nach 12 Jahren andauernden Krisen und Tragödien, ständiger Gewalt und Verlusterfahrungen ist die Bevölkerung in Nordsyrien am Boden zerstört," beschreibt Myriam Abord-Hugon, Leiterin des Syrien-Programms von HI, die Situation vor Ort.

Ein katastrophales humanitäres Umfeld
Bereits vor dem folgenschweren Erdbeben waren im Nordwesten Syriens 4,1 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. 90 % der Bevölkerung in der Provinz Idlib beispielsweise wurde durch den Konflikt vertrieben und lebt seither in behelfsmäßigen Lagern. Im Nordwesten Syriens fehlt es den Menschen an Nahrungsmitteln, Wasser, Strom, Heizungen und sozialen Diensten. Das Risiko von Krankheitsübertragungen durch verunreinigtes Wasser ist hoch, insbesondere nach einem Choleraausbruch im Jahr 2022.

Zerstörte Krankenhäuser verhindern adäquate Versorgung von Verletzten
Das Gesundheitssystem im Nordwesten Syriens ist mit einer Katastrophe solchen Ausmaßes komplett überfordert: Lebenswichtige Infrastrukturen wie Krankenhäuser sind nach 12 Jahren Krieg und massiven Bombardierungen im ganzen Land weitgehend zerstört oder beschädigt. Tausende Menschen wurden im Nordwesten Syriens verletzt und benötigen dringend medizinische Versorgung. Die seit Jahren andauernden Luftangriffe und Bombardierungen führen regelmäßig zu Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung im Nordwesten und Nordosten Syriens: In Idlib und West-Aleppo (Nordwesten) kam es auch 2022 und Anfang 2023 zu wahllosen Angriffen der Streitkräfte auf Zivilist*innen und kritische zivile Infrastruktur. Die Kontamination durch explosive Überreste stellt eine zusätzliche Gefahr für die Bevölkerung dar: Schätzungen zufolge sind in Syrien zwischen 100.000 und 300.000 explosive Kriegsreste nicht detoniert.

Unser Einsatz in Nordwestsyrien im Überblick:

  • Gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen in Syrien hat HI über 200 Mitarbeitende im Nordwesten Syriens mobilisiert, vor allem Spezialist*innen für psychische Gesundheit und Rehabilitation.
  • HI unterstützt aktuell 9 Krankenhäuser in Idlib und Nord-Aleppo sowie mehrere Sammelunterkünfte und hat bereits knapp 2.000 medizinische Hilfsmittel und Mobilitätshilfen wie Krücken, Gehstöcke und Gehhilfen zur Verfügung gestellt.
  • Mehr als 2.000 Verletzte haben bisher Rehabilitationsmaßnahmen erhalten.
  • Darüber hinaus haben die Teams für psychosoziale Unterstützung mehr als 3.300 Menschen betreut.
  • Die mobilen Teams von HI und ihren Partnerorganisationen führen täglich Erhebungen in den Notunterkünften durch, um den humanitären Bedarf der vertriebenen Bevölkerung zu ermitteln, bei der es sich hauptsächlich um Frauen, Kinder und ältere Menschen handelt.

Pressekontakt:
Huberta von Roedern, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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