Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Streubomben-Verbot – 10 Jahre Vertrag

(Pressemitteilung/HI) Am 30. Mai 2008 endete in Dublin die entscheidende Konferenz des so genannten Oslo-Prozesses für ein Verbot von Streubomben. Nach 15 Monaten Verhandlungen einigten sich die beteiligten Staaten, darunter Deutschland, auf einen Vertragstext. Im Dezember desselben Jahres wurde dann in Oslo u.a. vom damaligen Außenminister Steinmeier der Vertrag unterzeichnet, 2010 trat er in Kraft. Für die Vertragsstaaten bedeutete das ein Verbot der Herstellung, Lagerung, des Einsatzes und des Handels mit Streubomben sowie die Verpflichtung, betroffene Regionen und Menschen zu unterstützen. Trotz des großen Erfolges werden weiterhin in Konflikten wie im Jemen oder in Syrien Streubomben eingesetzt und bedrohen die Zivilbevölkerung.

Mitlgieder der Cluster Munition Coalition (CMC)

Mitlgieder der Cluster Munition Coalition (CMC) | © Federico Visi

Streubomben – eine grausame Waffe

Streubomben verteilen sogenannte Submunitionen über weite Flächen und treffen durch die Streuwirkung immer auch die Zivilbevölkerung. Außerdem hinterlassen sie zahlreiche Blindgänger, die ähnlich wie Landminen noch lange nach dem Ende eines Konfliktes von Bauern auf dem Feld oder von spielenden Kindern ausgelöst werden können. 10 Jahre nach dem Landminenverbot war der Oslo-Vertrag ein weiteres bahnbrechendes Abrüstungsabkommen, das seit seinem Inkrafttreten viel bewirkt hat. Wie beim Landminenverbot hatte eine internationale Kampagne entscheidend dazu beigetragen, die unter anderem von Handicap International gegründet und aktiv gestaltet wurde: die Cluster Munition Coalition (CMC).

Gründung der Cluster Munition Coalition

„Schon 2003 waren wir bei der Gründung der CMC in Den Haag dabei. Die massive Verwendung von Streumunition im Kosovo, in Afghanistan und im Irak und die vielen zivilen Opfer, die wir in unseren Hilfsprojekten unterstützen mussten, hatten uns gezeigt, dass wir auch politisch tätig werden mussten. Der erneute Einsatz im Libanonkrieg 2006 bewegte auch einige Staaten zum Handeln. Führend war Norwegen, das 2007 im Februar zur ersten Konferenz einlud. Doch anfangs dominierten noch die technischen Debatten, wie diese Waffen z.B. durch Selbstzerstörungsmechanismen sicherer gemacht werden könnten. Auch in der deutschen Regierung waren viele noch nicht zu einem Verbot bereit“, erinnert sich Eva Maria Fischer, Leiterin politische Arbeit von Handicap International Deutschland, die damals für die Kampagnen in Deutschland zuständig und gemeinsam mit dem Aktionsbündnis Landmine bei vielen Gesprächen mit Politiker/-innen und bei den Konferenzen beteiligt war.

„Unsere Organisation war in vielen Ländern im Einsatz, um Munitionen aus Streubomben zu räumen und Menschen, die bei Unfällen mit Blindgängern verletzt wurden, zu helfen. Deshalb sahen wir es als unsere Aufgabe, die Betroffenen dabei zu unterstützen, diese Kampagne mitzugestalten. Handicap International gründete und organisierte die ‚Ban Advocates‘, eine Gruppe von Menschen aus ganz verschiedenen Ländern, die entweder durch Streubomben schwer verletzt worden waren oder die durchdiese Waffen einen geliebten Menschen verloren hatten. Diplomaten, die auf den Konferenzen des Oslo-Prozesses technische und militärische Diskussionen in den Vordergrund stellten, kamen an diesen Menschen nicht vorbei. Bei Begleitveranstaltungen, in den Medien, bei Gesprächen in den Fluren oder auch auf dem offiziellen Podium machten sie eindrucksvoll deutlich, worum es eigentlich ging: Um eine Waffe, die zu über 90 Prozent die Zivilbevölkerung traf, darunter viele Kinder, und die noch viele Jahre nach dem Krieg durch zahlreiche Blindgänger wichtigen Lebensraum zu vermintem, gefährlichen Gelände machte. Wenn z.B. der ‚Ban Advocate‘ aus dem Libanon erzählte, wie im Stadtpark seiner Heimatstadt sein kleiner Sohn an seinem sechsten Geburtstag beim Spielen durch einen solchen Blindgänger getötet wurde, und wie die Mutter seither in Depressionen versank… dann wurde es totenstill im Raum.“

Trotz Erfolge – der Einsatz geht weiter

Auch im Vertragstext, der am 30. Mai 2008 in Dublin beschlossen wurde, gab es noch Kompromissformulierungen, mit der die Kampagne nicht zufrieden war. Dennoch ist der Vertrag ein Erfolgsmodell und hat dazu beigetragen, dass die überwiegende Mehrheit der Staaten Streubomben heute als Tabu sieht. 103 Staaten haben den Vertrag bis heute ratifiziert, 17 weitere haben zunächst unterzeichnet. Viele Vertragsstaaten haben ihre Bestände an Streumunition vernichtet. „Es war ein ganz besonderer Moment für mich, als ich im November 2015 der feierlichen Vernichtung der letzten deutschen Streubombe beiwohnen durfte. Die Bundeswehr hatte eines der weltgrößten Arsenale dieser Waffen besessen. Ich war stolz, dass wir zu diesem wichtigen Schritt beitragen konnten.“

Trotz aller Erfolge: Die grausamen Waffen sind noch lange nicht aus der Welt verschwunden. In den Konflikten und Kriegen der letzten Jahre wurden weiterhin Streubomben eingesetzt, so in Syrien, im Jemen, in der Ukraine. Beteiligt waren immer Staaten, die den internationalen Verbotsvertrag nicht unterzeichnet haben. „Wir werden nicht aufhören, diese Einsätze anzuprangern und für die Universalisierung des Vertrags zu kämpfen. Denn sowohl die bisherigen Erfolge des Streubombenverbots als auch die erneuten Einsätze von Staaten außerhalb des Abkommens machen deutlich, wie wichtig es ist, dass alle Staaten dem Oslo-Vertrag beitreten.“