Co-Preisträger Friedensnobelpreis

91% der Opfer von Explosivwaffen in Wohngebieten sind Zivilisten

Politische Kampagnenarbeit
International

Wenn Explosivwaffen in Wohngebieten eingesetzt werden, stammen 91% der Getöteten und Verletzten aus der Zivilbevölkerung. Dies ist das Ergebnis einer Studie über zehn Jahre, die die Organisation Action On Armed Violence (AOAV), eine Partner-Organisation von Handicap International (HI), veröffentlicht hat. 

Einem Jungen wird von einem HI-Therapeuten, der vor ihm kniet, seine Prothese angepasst.

Der 11-jährige Nisar aus Afghanistan verlor durch einen improvisierten Sprengsatz ein Bein. | © Jaweed Tanveer / HI

Dies sind 238.892 Menschen. Insgesamt gab es in 123 Staaten und Gebieten Vorfälle mit Explosivwaffen. Die am schlimmsten betroffenen Länder sind Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan und Jemen. Jüngstes Beispiel der verheerenden Folgen des Einsatzes von Explosivwaffen ist der Konflikt in Gaza und Israel mit heftigen Luftangriffen und Raketenbeschuss auf die Zivilbevölkerung.

Die humanitäre Hilfsorganisation Handicap International (HI) fordert, dass sich die internationale Staatengemeinschaft dringend für ein Ende des Leidens durch Bombardierungen in Wohngebieten einsetzen muss. Die seit Jahren laufenden Verhandlungen im sogenannten EWIPA-Prozess müssen nun endlich in einer starken politischen Erklärung zum besseren Schutz der Bevölkerung vor Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA: Explosiv Weapons In Populated Areas) gipfeln. Der Wortlaut des Abkommens ist derzeit Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Staaten. Eine letzte Verhandlungsrunde wird im kommenden Herbst stattfinden.

Europäische Abgeordnete fordern ein starkes Abkommen zu EWIPA

Um Druck auf ihre Regierungen auszuüben, haben sich Abgeordnete aus verschiedenen europäischen Ländern am Donnerstag, 27. Mai 2021 online getroffen. Über 170 Abgeordnete unterschrieben ein gemeinsames Statement, dass der Schutz der Zivilbevölkerung umgehend vorangetrieben werden muss. Zur Konferenz hatten deutsche und französische Abgeordnete gemeinsam mit HI eingeladen.

Explosivwaffen in Wohngebieten haben verheerende Auswirkungen

„Der aktuelle Bericht beweist einmal mehr, dass bei Bombardierungen in Wohngebieten der überwiegende Teil der Opfer aus der Zivilbevölkerung stammt. Die Menschen müssen in aktuellen Konflikten dringend besser geschützt werden. Deshalb unterstützen wir den aktuellen diplomatischen Prozess für ein internationales Abkommen, das den Einsatz von Explosivwaffen in Wohngebieten wirkungsvoll eindämmt“, unterstreicht Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland. Explosivwaffen töten oder verletzen Zivilist*innen, hinterlassen verwüstete Städte, führen zu starken psychologischen Traumata, zu Vertreibung und Verarmung der Bevölkerung, zerstören lebensnotwendige Infrastrukturen und zerrütten das soziale und wirtschaftliche Gefüge. Besonders die Flächenwirkung vieler Explosivwaffen macht ihren Einsatz in Wohngebieten verhängnisvoll.

Einige Ergebnisse des Berichts von AOAV:

  •  In den letzten zehn Jahren (2011-2020) gab es 357.370 dokumentierte Todesfälle und Verletzte durch Explosivwaffen bei 28.879 Vorfällen. Davon waren 262.413 Zivilisten - 73 %.
  • Insgesamt wurden in einem Jahrzehnt 238.892 Zivilist*innen in bewohnten Gebieten getötet und verletzt.
  • Beim Einsatz von Explosivwaffen in Städten und anderen bewohnten Gebieten waren 91 % der Getöteten und Verletzten Zivilist*innen. Im Vergleich dazu waren es in anderen Gebieten 25 %.
  • In den zehn Jahren wurden Vorfälle in 123 Ländern und Territorien auf der ganzen Welt registriert.
  • Die meisten zivilen Todesopfer und Verletzten gab es im letzten Jahrzehnt in Syrien (77.534 zivile Opfer), Irak (56.316), Afghanistan (28.429), Pakistan (20.714) und Jemen (16.645).
27 Mai 2021
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

14 Jahre Streubombenverbot – ein lebensrettender Vertrag ist bedroht
© Basile Barbey/HI
Politische Kampagnenarbeit

14 Jahre Streubombenverbot – ein lebensrettender Vertrag ist bedroht

Am 1. August 2024 jährte sich zum 14. Mal der Tag, an dem die Konvention über ein Verbot von Streumunition in Kraft getreten ist. Ein lebensrettender Vertrag. Zehntausende Menschenleben wurden seither geschützt. Doch gerade gibt es einige Entwicklungen, die uns Sorge bereiten. Streumunition wird in aktuellen Konflikten vermehrt eingesetzt. Litauen hat zudem angekündigt, den Vertrag zu verlassen.

Jahresbericht 2023 – Können Spielsachen Behinderungen verhindern?
© A. Rahhal / HI
Öffentlichkeitsarbeit

Jahresbericht 2023 – Können Spielsachen Behinderungen verhindern?

Warum ist es so wichtig, dass Kinder in der Ukraine oder Gaza wissen, wie gefährlich Blindgänger sind? Können Spielsachen Behinderungen verhindern? Wie erlebt ein Mensch mit Behinderung die Flucht aus dem sicheren Zuhause in eine Sammelunterkunft? Antworten auf diese und zahlreiche weitere Fragen sowie viele Informationen rund um unsere Arbeit stehen in unserem neuen Jahresbericht 2023.

Hungersnot in Sudan
© M. Degue Mohassingar / HI

Hungersnot in Sudan

Die Lage der Zivilbevölkerung in Sudan ist dramatisch. In Teilen des Landes wurde eine Hungersnot ausgerufen. Der andauernde Konflikt zwischen rivalisierenden Gruppen führt zu Massenvertreibungen und einer der schwersten humanitären Krisen weltweit. 11 Millionen Menschen wurden bereits vertrieben, darunter rund 3 Millionen Kinder. Fast 25 Millionen Menschen brauchen Hilfe.