Co-Preisträger Friedensnobelpreis

“Mein Traum: Volleyballspielerin werden und meine Eltern wiedersehen”

Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie
Kenia

Als sie neun Monate alt war, wurde Nyaduols linkes Bein nach einem Unfall amputiert. Nach der Flucht aus Äthiopien und Südsudan lebt Nyaduol, 17, heute im Kakuma Flüchtlingslager im Nordwesten Kenias. Mittlerweile hat sie eine Prothese und ist im Volleyball unschlagbar.

Nyaduol lächelnd auf einer Kiste.

Als Baby wurde Nyaduols Bein nach einem Unfall amputiert. Nach der Flucht aus Südsudan und Äthiopien lebt sie heute ohne Begleitung, mit gerade einmal 17 Jahren, im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia. | © X. Bourgois/Handicap International

Äthiopien, Pugnido Flüchtlingslager, 1998: Nyaduol, Südsudanesin, sechs Monate alt. Sie sitzt neben dem Feuer. Ihre Mutter unterhält sich mit einem Nachbarn, und ihr Vater, ein Pastor, ist nicht da. Das Kind macht eine falsche Bewegung, fällt in die Flammen und verbrennt sich ihr Bein. Die Familie gerät in Panik, aber Nyaduol erhält keine Behandlung. Im Alter von neun Monaten muss Nyaduols Bein amputiert werden.

Die Jahre vergingen, und die Dinge verbesserten sich nicht. Keine Schule, keine Spiele. Nyaduol verbrachte ihre Zeit sitzend, umgeben von ihren Brüdern und Schwestern. Die Tage waren sehr lang. „Aber ich mochte es zu beten wie mein Vater,” sagt sie. Als Nyaduol 12 Jahre alt war, infizierte sich ihr Bein und ihr Zustand wurde schlechter. Sie brauchte dringend Hilfe. Sie reiste mit ihrer Mutter nach Malakal in Südsudan, danach alleine mit dem Flugzeug nach Juba, der Hauptstadt des Landes. Im Krankenhaus bekam sie eine Prothese und Gehstützen. Schließlich wurde alles besser. Nyaduol musste sich von ihrer Mutter verabschieden – und sah sie seither nicht wieder. Sie blieb mit ihrem Cousin in Juba zurück. Im Jahr 2013, als der Bürgerkrieg ausbrach, wurde Juba durch die Kämpfe auseinandergerissen. Mery, die Ehefrau ihres Cousins, entschied, Nyaduol wegzubringen. „Du bist jung und alleine. Wir brauchen Sicherheit. Wir gehen.” Nyaduol schloss ihre Augen - und fand sich ein paar Monate später im Kakuma Flüchtlingslager in Kenia wieder. Mery blieb nicht. Nyaduol war wieder allein. Sie war erst 17 Jahre alt.

Sie wurde zu einer südsudanesischen Gastfamilie geschickt, um dort zu leben. Ihr Bein schmerze mehr als je zuvor, und ihre Prothese passte ihr nicht mehr. Der Weg zur Schule war zu lang.

Mai 2015, Kakuma, Inklusive Grundschule: Das Wetter ist heiß und trocken. Nyaduol sitzt auf einer eisernen Kiste und lächelt. Um sie herum: Stockbetten und bunte Moskitonetze. Kinder schreien im Innenhof. In der Schule gibt es 2.000 Schüler und 20 Lehrkräfte. „Im Juni 2014 habe ich das ergotherapeutische Team von Handicap International getroffen. Sie untersuchten mein Bein und meinen infizierten Stumpf. Im Oktober 2104 wurde ich ins Rehabilitationszentrum in Kangemi, Nairobi, gebracht. Hier wurde mir eine neue Prothese angepasst und ich bekam Rehabilitationsübungen. Nairobi ist groß und modern,“ fügt sie mit einem verschmitzten Lächeln hinzu. Laut Reiza Dejito, Koordinator des Einsatzes von Handicap International für Angelegenheiten für Flüchtlinge in Kenia: „Mehr als 1.400 Menschen, wie Nyaduol, bekommen von uns Rehabilitationsmaßnahmen. Dank ihrer neuen Prothese kann sich Nyaduol nun viel leichter fortbewegen. Wir haben außerdem dafür gesorgt, dass sie in einer sicheren Schule leben kann, wo sie schlafen und Freundschaften schließen kann. Nyaduol ist eine unbeaufsichtigte Minderjährige. Sie braucht Schutz.“

Wenn die Schule im August schließt, geht Nyaduol zurück zu ihrer Gastfamilie, wo sie sich zu ihrer ‚Schwester‘ Sara gesellt. „Ich bin gerne bei ihr. Sara kocht. Sie bereitet Ugali zu, ein Gericht aus Mehl, das im Wasser gekocht wird, dazu Injera, eine Art äthiopisches Fladenbrot. Und ich mache den Abwasch.” erzählt sie mit einem Lächeln. „Aber noch lieber bin ich im Waisenhaus,“ gibt sie zu.

Nyaduol steht auf: Das Spiel beginnt. Sie geht zum Spielfeld, wo sie sich ihren Freundinnen und Freunden anschließt und greift nach dem Ball. „Ich liebe Volleyball.“, sagt sie fröhlich. „Es ist eines der Dinge, die ich am meisten genieße. Zusammen mit den sudanesischen Tänzen… und der Hoffnung, meine Eltern eines Tages wiederzusehen.“

Hintergrund:

Mehr als 180.000 Flüchtlinge aus 13 Ländern leben im Kakuma Flüchtlingslager, das 1992 errichtet wurde. Insgesamt 43 % der Flüchtlinge, die dort leben, stammen aus dem Südsudan, 36 % aus Somalia. Menschen aus Äthiopien, Burundi, der Demokratischen Republik Kongo, Eritrea, Uganda, Rwanda, Sudan, Burkina Faso und Kamerun leben ebenfalls in diesem Camp.

Das Projekt:

Handicap International arbeitet seit April 2014 in dem Camp, um die besonders Schutzbedürftigen, insbesondere Menschen mit Behinderung, zu schützen. Die Organisation bietet, in Partnerschaft mit dem Kangemi Rehabilitationszentrum in Narobi, Therapienstunden zur Rehabilitation an, stellt Mobilitätshilfen zur Verfügen, passt Prothesen bzw. Orthesen an und führt weitere Maßnahmen durch.

13 Juli 2015
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

DR Kongo: HI liefert lebenswichtige Güter
© HI
Nothilfe

DR Kongo: HI liefert lebenswichtige Güter

Die Gewalt in der Region Nord-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo eskaliert. Rund 2,6 Millionen Menschen benötigen Unterstützung. Krankenhäuser, Schulen und Flüchtlingslager werden direkt angegriffen. Es fehlt an Wasser, Lebensmittel und Medikamenten. Unsere Teams versorgen die Menschen mit lebenswichtigen Gütern, Rollstühlen und Prothesen.

Hilfe in Mali: Wie wir auch die entlegensten Dörfer erreichen
© T. N'Daou / HI
Nothilfe

Hilfe in Mali: Wie wir auch die entlegensten Dörfer erreichen

In Mali stoßen Hilfsorganisationen oft an ihre Grenzen, und die nötige Hilfe kommt nicht immer da an, wo sie so dringend gebraucht wird. Die Not im Land ist groß. 8,8 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, mehr als die Bevölkerung von Niedersachsen. Unser spezielles Logistik-Team schafft es, die dringend  benötigte Hilfe sogar in die entlegensten Ecken des Landes zu bringen.

Jemen: Fußballspielen auf Prothesen
© T. Mayer / HI
Rehabilitation und Orthopädie

Jemen: Fußballspielen auf Prothesen

Abdullah tritt auf eine Mine, als er zwei Kameraden an der Front retten will. Er kennt die Gefahr, als er ins Minenfeld läuft – die Explosion reißt seinen rechten Fuß ab, Splitter bohren sich in seinen Körper. Nach seiner Heldentat ist Abdullah verzweifelt und weiß nicht, wie er weiterleben soll. Doch inzwischen ist er Familienvater, hat kleinere Jobs und spielt Fußball – mit seiner Prothese.