Model Mario Galla: „Wir sollten Barrieren gar nicht erst aufbauen!“
HI-Botschafter und „Model mit Prothese“ Mario Galla besuchte für die Hilfsorganisation Handicap International Ende Februar das Mahama Flüchtlingscamp und eine inklusive Schule in Ruanda. Das 33-jährige Model – selbst mit einem verkürzten Oberschenkel geboren – möchte sich hautnah einen Eindruck davon verschaffen, wie HI Kinder und Erwachsene mit Behinderung unterstützt, ihr Leben besser zu meistern. Mario ist tief bewegt vom Schicksal der knapp 60.000 burundischen Geflüchteten im Camp Mahama und der Positivität, die sie trotz ihrer schwierigen Situation ausstrahlen.
Mario Galla umringt von Kindern im gemeindebasierten Reha-Zentrum im Flüchtlingslager Mahama | © Neil Thomas/HI
Das Camp Mahama für burundische Geflüchtete liegt etwa 3 1/2 Autostunden von der Hauptstadt Kigali entfernt, nicht weit der Grenzen zu Burundi und Tansania. Im Flüchtlingslager reihen sich kleine Lehmhütten aneinander. Fast 60.000 Menschen finden hier Platz, über die Hälfte davon sind Kinder. Mario wird eingeladen, bei der Reha-Sitzung in der Unterkunft der kleinen Sandrine* dabei zu sein. „Sie ist wirklich süß und witzig“, lacht Mario, als das Mädchen mit Down-Syndrom an ihm vorbeifegt und zu spielen beginnt. Das war nicht immer so: Vor den Hausbesuchen durch HI konnte die Zweieinhalbjährige weder selbstständig sitzen noch laufen. „Es ist toll zu sehen, wie Physiotherapie das Leben der Menschen hier erleichtern kann. Wir sollten uns bewusst machen: Es ist nicht überall selbstverständlich, medizinische Versorgung oder eine Prothese zu bekommen.“
„Das muss man als Frau allein mit fünf Kindern erstmal stemmen!“
Besonders beeindruckt ist Mario vom Schicksal der 42-jährigen Jane*. Durch eine undiagnostizierte Krankheit im Kindesalter ist ihr Fuß deformiert und sie hat Schwierigkeiten beim Laufen. Als die Krise in ihrem Heimatland Burundi ausbrach, versuchte sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Ruanda zu kommen. Zwei Tage war sie mit ihren fünf Kindern unterwegs. Einen Mann gibt es nicht, die Kinder hat sie ganz allein großgezogen. „Die Situation muss man als Frau allein mit fünf Kindern erstmal stemmen“, sagt Mario anerkennend, nachdem sie ihm schüchtern ihre Geschichte erzählt hat. Das Leben für die Familie im Camp ist nicht einfach. Ihren gelernten Beruf als Schneiderin kann Jane aufgrund ihrer Behinderung nicht ausüben. HI fertigte ihr eine neue Schiene für ihren Fuß an. Damit kann sie jetzt besser laufen. „Das alles ist für uns schwer vorstellbar“, gesteht Mario. „Sie ist wirklich eine taffe Frau und doch so bescheiden und ruhig. Das imponiert mir.“
Mario mit Jane* vor ihrer Unterkunft. © Neil Thomas/HI
Burundi: Kein Ende der Krise in Sicht
Seit Beginn der Krise in Burundi im April 2015 kommen stetig neue Geflüchtete nach Ruanda, aktuell etwa 100 im Monat. Die Kapazität im Camp ist begrenzt. Demnächst wird man die Unterkünfte in die Höhe bauen müssen, um alle Schutzsuchenden aufnehmen zu können. Das Leben im Lager wird gemeinsam mit den Bewohnern organisiert. Viele Mitarbeiter und Leiter der Aktivitätengruppen sind als Geflüchtete gekommen und arbeiten heute für Handicap International. Die Aktivitäten im Camp sind vielfältig: Von Multimedia-Kursen für Jugendliche, über Englisch-Unterricht für Erwachsene bis hin zum gemeinsamen generationsübergreifenden Singen und Tanzen. Der Großteil dieser Projekte wird vom Auswärtigen Amt gefördert.
„Barrieren sollten gar nicht erst aufgebaut werden!“
An der inklusiven Schule Burema, nicht weit entfernt von der Hauptstadt Kigali, bietet sich ein ganz anderes Bild. Kinder toben ausgelassen über den Schulhof und als Willkommensgruß für den Besuch aus Deutschland wurde ein eigenes Lied gedichtet. 2.800 Kinder gehen hier zur Schule, davon 96 mit Behinderung. Auch Mario Galla darf noch einmal auf der Schulbank Platz nehmen. Wie selbstverständlich sitzt die junge Sarah etwas mittig im Raum, um Platz für ihre Füße zu haben – mit denen sie schreibt. Denn Sarah hat durch Sauerstoffmangel bei der Geburt Deformationen und eine geistige Behinderung entwickelt. Dem Unterricht kann sie aber einigermaßen folgen. HI arbeitet in Ruanda daran, die Akzeptanz von Behinderung zu erhöhen. Viele Menschen schämen sich für ihre behinderten Kinder, sperren diese sogar weg. Durch Sensibilisierungskampagnen, Schulung des Lehrpersonals und durch regelmäßigen Austausch der Eltern untereinander soll das verhindert werden. „Ich finde es total wichtig, dass man als Kind eingebunden ist. Man kann voneinander lernen und sollte niemanden ausgrenzen. Man sollte gar nicht erst die Barrieren aufbauen“, sagt Mario und denkt dabei an seine eigene Schulzeit zurück.
Sich für die Schutzbedürftigen stark machen
In Mario wühlt der kurze, aber intensive Besuch in Ruanda viel auf. „Die Verarbeitung dieser Reise dauert sicherlich noch ein wenig“, gesteht er. In viele Situationen kann sich Mario durch seine eigene Behinderung zumindest teilweise hineinversetzen. „Ich hatte als Kind auch mit Ausgrenzung zu kämpfen und weiß, wie isoliert man mit einer Behinderung sein kann.“ Heute ist der Hamburger mit seiner Prothese ein international erfolgreiches Model. Mit seiner Bekanntheit unterstützt er seit 2012 als Botschafter die Arbeit von HI und möchte auf die Menschen aufmerksam machen, die Hilfe benötigen.
*Namen geändert