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© A. Leang
Nachhaltige Prothesen
Handicap International stellt Prothesen und Orthesen her, die jedes Jahr vielen Menschen auf der ganzen Welt helfen. Um den Energieverbrauch und Abfall zu reduzieren, recyceln wir Materialien, stellen die Stützen mit 3D-Druckern her und arbeiten an alternativen und innovativen Lösungen.
Orthopädische Hilfsmittel sind teuer
Prothesen (künstliche Gliedmaßen) und Orthesen (Hilfsmittel, die ein Körperteil wie z.B. das Bein stützen) können das Leben vieler Menschen verändern. Sie eröffnen unzählige Möglichkeiten und tragen zur Autonomie und Unabhängigkeit der Betroffenen bei. Die Herstellung von orthopädischen Hilfsmitteln erfordert jedoch häufig einen sehr hohen Energie- und Materialaufwand.
„Um orthopädische Hilfsmittel herzustellen, benötigen wir viel Plastik, Metalle, Wasser, Gips, Kohlenstoff, Harz ...” Abder Banoune, Rehabilitationsspezialist bei HI
„Es braucht viel Energie und Arbeitskraft, um eine Prothese oder Orthese anzufertigen. Jede Prothese wird für die Nutzer*innen maßgeschneidert. Sie müssen zudem regelmäßig erneuert werden, wenn die Menschen älter werden oder ihr Körper noch wächst bzw. sich verändert“, fährt Abder Banoune fort.
Beispielsweise wechseln viele Erwachsene alle fünf Jahre ihre Prothese. Da werden eine Menge Prothesen nach 40 oder 60 Jahren benötigt. Kinder müssen aufgrund ihres Wachstums sogar noch häufiger neue Hilfsmittel erhalten (alle 6 bis 12 Monate). Das führt zu einer Menge „Abfall"
HI setzt sich dafür ein, weltweit den Zugang zu hochwertiger Reha-Versorgung zu ermöglichen und gleichzeitig die ökologischen Auswirkungen unter Kontrolle zu halten. Länder mit niedrigem Einkommen sind unverhältnismäßig stark von den negativen Folgen von Abfall und Klimawandel betroffen. So möchten wir Energieverbrauch und Abfall bei der Herstellung von Prothesen und Co reduzieren:
Wiederverwenden: die Recycling-Werkstatt
„Als ich in Afrika gearbeitet habe, hatten die Rehabilitationszentren alle riesige Stapel und Container voller zerstörter oder rostiger Geräte, die nicht wiederverwendet werden konnten. Sie wurden einfach auf den Hof geworfen ", erklärt Abder Banoune
In der Nähe des Hauptsitzes von Handicap International in Lyon betreiben wir eine Werkstatt für gebrauchte Geräte, die von freiwilligen pensionierten Fachleuten für Prothetik und Orthopädie geleitet wird. Die Werkstatt nimmt gebrauchte Geräte an und zerlegt diese, wobei alle wiederverwendbaren Komponenten aufbewahrt und an unsere Projekte im Ausland geschickt werden, um neue Geräte zu bauen.
© A. BANOUNE/HI
© A. BANOUNE/HI
„50-60% der Hilfsmittel können wiederverwendet werden”
„Wenn man ein Gerät reparieren muss, braucht man manchmal nur ein einziges Teil. Anstatt neue Komponenten zu kaufen oder eine völlig neue Prothese herzustellen, kann man gute Teile immer wieder verwenden”, fügt Abder Banoune hinzu.
Die Recycling-Werkstatt ist seit ihrer Gründung erheblich gewachsen und nimmt heute jedes Jahr zwischen 1.000 und 1.500 Prothesen auseinander, mit dem Ziel, diese Zahlen in Zukunft noch stark zu steigern.
Innovation: 3D-Druck
HI ist die erste NGO, die den 3D-Druck zur Herstellung von Orthesen in ressourcenarmen Umgebungen einsetzt. In Uganda nutzen wir seit 2016 diese innovative Technologie in Lagern für Geflüchtete, um die Gliedmaßen von Menschen, die eine Orthese benötigen, zu scannen und die digitalen Dateien für den 3D-Druck zu versenden. Die betroffene Person muss dafür selbst kein Reha-Zentrum aufsuchen – die Anpassung der Orthese kann mithilfe des Scans aus der Ferne erfolgen.
Auf diese Weise werden nicht nur mehr Personen aus abgelegenen Regionen erreicht, sondern es werden auch weniger Energie und Materialien verbraucht. Ohne 3D-Druck braucht man für die Herstellung von Orthesen u.a. Gips für die Abdrücke und hoch erhitzten Kunststoff. Der herkömmliche Herstellungsprozess erfordert Tausende Liter Treibstoff, einen leistungsstarken Generator und ein Zentrum, das groß genug ist, um die Ausrüstung zu beherbergen.
„Der 3D-Druck ist ein einzigartiger Ansatz, um orthopädische Geräte herzustellen, ohne dass man eine riesige Ausrüstung, viel Energie oder viele Materialien benötigt. Wir können die Gliedmaßen scannen, statt Gips zu verwenden. Wir brauchen nicht viel Platz und der Drucker verbraucht drei- bis viermal weniger Energie als die herkömmliche Methode. In Zukunft denke ich, dass wir die Drucker mit Solarzellen betreiben können, was auf traditionelle Weise nicht möglich wäre. Das ist umweltfreundlich und günstig”, erklärt Abder Banoune.
© X. Olleros
© D. Komakech-Q. Neely/HI
Recyceln: Forschung mit INSA
Trotz aller Innovation, ist die Herstellung mit Gips weiterhin die Norm. Das Material, aus dem der Gips hergestellt wird, verursacht weltweit 400.000 Tonnen Abfall. Auch wir verursachen bei der Herstellung von Prothesen 5-10 Tonnen Gipsabfall pro Jahr. Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung.
HI hat sich mit dem Institut National des Sciences Appliquées (INSA), einer Ingenieursschule, zusammengeschlossen. Im Rahmen eines INSA-Projekts werden derzeit Versuche zur Erforschung von Möglichkeiten der Wiederverwendung von Gips durchgeführt. Auch am Recycling von Plastikflachen und der Verwendung von Pflanzenfasern wird geforscht.
„Es ist wichtig, lokale und angepasste Lösungen zu finden”, erklärt Magdelana Szynkowska, Entwicklungsbeauftragte bei HI. „Je nach Land und Kontext gibt es nicht die eine richtige Antwort. Es ist eine komplizierte Aufgabe, aber ich bin zuversichtlich, dass wir Lösungen finden werden.”
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Interessante Fakten
- Die ersten einfachen Prothesen gab es schon im 2. Jahrhundert vor Christus
- Kinder müssen alle 6-12 Monate die Prothese wechseln
- Erwachsene wechseln ca. alle 5 Jahre die Prothese
- In Afrika kommt auf durchschnittlich 2 Millionen Menschen eine Produktionsstätte für orthopädische Hilfsmittel