HI-Studie zum Jemen
Handicap International (HI) hat am Freitag, 12. Juni 2020 die Studie „Todesurteil für die Zivilbevölkerung: Die Langzeitauswirkungen von Explosivwaffen in Wohngebieten im Jemen“ veröffentlicht. Dieser zeigt, wie Bombenangriffe in bewohnten Gebieten Jahrzehnte der Entwicklung im Jemen vernichtet haben und beschreibt die langfristigen Folgen für die Zivilbevölkerung. In dem seit fünf Jahren andauernden Krieg mussten Männer, Frauen und Kinder alle Arten von Explosivwaffen ertragen: Fliegerbomben, Raketen, Artilleriegranaten, Mörser, Streubomben, improvisierte Sprengsätze und viele mehr. Diese haben Brücken, Straßen und Krankenhäuser zerstört und langfristiges Leid über die Zivilbevölkerung gebracht. Die Bombardierungen werfen Jemen um eine ganze Generation zurück.
Bild aus Aden (Jemen) nach Luftangriffen in 2017 | © HI
- 24,1 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe
- Mehr als 24% des Straßennetzes wurden teilweise oder vollständig zerstört
- 50% der medizinischen Einrichtungen funktionieren nicht mehr
- 17,8 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser
Hier finden Sie die Studie, eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Bildmaterial. Darüber hinaus laden wir Sie ein, an der UN-Veranstaltung teilzunehmen, auf der HI-Advocacy Expertin Alison Bottomley sprechen wird:
- HI-Studie: Todesurteil für die Zivilbevölkerung auf Englisch
- Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Studie auf Deutsch
- Einladung zur Teilnahme via Zoom an der UN-Veranstaltung (ECOSOC HAS side-event) am Freitag, 12.6. um 17.00 Uhr CET
- Interviewanfragen an Alison Bottomley (in Sanaa) oder Eva Maria Fischer und bitte an [email protected]
- rechtefreies Bildmaterial
Die HI-Studie „Todesurteil für die Zivilbevölkerung: Die Langzeitauswirkungen von Explosivwaffen in Wohngebieten im Jemen“ zeigt, wie der Einsatz von Explosivwaffen im Jemen noch jahrzehntelang das Leben der Bevölkerung beeinträchtigen wird. Wichtige Infrastrukturen und Dienstleistungen, die für Nahrungsmittel, Transport, Gesundheit und die Wasserversorgung notwendig sind, wurden beschädigt oder zerstört: Häfen, Brücken, Straßen, Kliniken oder Wasserleitungen. Der Bericht zeigt das Ausmaß und die langfristigen Auswirkungen der Bombardierungen auf die Zivilbevölkerung anhand von sechs Fallstudien. Eine davon ist die Zerstörung des Hafens von Hodeidah durch Bombenangriffe im Jahr 2015. Die Versorgung mit grundlegenden Gütern wurde damals unterbrochen. Bis heute bedeutet dies erhöhte Preise bei lebenswichtigen Gütern. Auch sind notwendige Dienstleistungen weiterhin beeinträchtigt.
Bombardierungen werfen Jemen um eine Generation zurück
Die umfangreichen Bombenangriffe auf Wohngebiete haben das Land um 25 Jahre zurückgeworfen (Quelle: UNDP) Das ist eine ganze Generation. Der Jemen wird nicht in der Lage sein, die extrem hohen Kosten für den Wiederaufbau zu tragen. Zudem muss die Beseitigung der explosiven Kriegsreste finanziert werden: Erst dann kann ein Wiederaufbau beginnen. Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International Deutschland, warnt vor den langfristigen Auswirkungen der Bombardierungen: „Bomben und Beschuss im Jemen töten und verletzen Zivilist*innen an Ort und Stelle. Sie haben zudem eine anhaltende Wirkung für Generationen von Menschen, die den Krieg überleben werden. Selbst wenn der Krieg im Jemen heute enden würde, werden die Menschen an den Folgen der zerstörten Straßen, Brücken, Krankenhäuser und Häfen Jahrzehnte lang leiden. Die Schäden an der Infrastruktur haben die humanitären Bedürfnisse im Land weiter verschärft.“
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Verschärfte Not – besonders während der Corona-Krise
Laut der Studie „Humanitarian Needs Overview“ wurden im Jemen 2018 jeden Monat bis zu 600 zivile Infrastrukturen zerstört oder beschädigt. 50 % der medizinischen Einrichtungen sind heute nicht mehr betriebsfähig. 19,7 Millionen Menschen sind aber auf medizinische Versorgung angewiesen, und 17,8 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser und Sanitäranlagen. Die Wirtschaftsblockade und der Einbruch der Wirtschaft haben die Kosten für Lebensmittel und Treibstoff in die Höhe getrieben. 24,1 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe, das sind drei Viertel der Bevölkerung. HI-Advocacy Expertin Alison Bottomley: „Die Zerstörung wichtiger Infrastruktur durch Bombenangriffe macht es dem Jemen besonders schwer, mit den Folgen einer Pandemie wie Covid-19 fertig zu werden. Die soziale und medizinische Versorgung war bereits schlecht organisiert und wurde durch die fünf Jahre andauernden und wiederholten Bombardierungen weiter massiv geschwächt. Ganze Bevölkerungsgruppen, insbesondere Binnenflüchtlinge, sind extrem gefährdet und haben kaum Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wasser und Abwasserentsorgung, um sich vor dem Coronavirus zu schützen“.
Diplomatischer Prozess gegen Bombenangriffe auf Wohngebiete
HI als Mitbegründerin des Internationalen Netzwerks gegen Explosivwaffen (INEW) setzt sich aktiv dafür ein, dass die Staatengemeinschaft eine wirkungsvolle politische Erklärung ausarbeitet: Diese soll den Einsatz von Explosivwaffen mit großflächiger Wirkung in Wohngebieten stoppen, das Leid der Zivilbevölkerung beenden und die Unterstützung der Opfer gewährleisten. Am 1. und 2. Oktober 2019 hatten in Wien die Verhandlungen für ein derartiges politisches Instrument begonnen. Im November 2019 und Februar 2020 fanden in Genf zwei Verhandlungsrunden statt, auf die noch 2020 eine weitere Beratungsrunde folgen wird. Dieser diplomatische Prozess wird mit einer politischen Erklärung abschließen, welche den Staaten zur Unterzeichnung vorgelegt werden wird.
In fünf Jahren Krieg wurde der Jemen durch den Einsatz von Explosivwaffen verwüstet. Die Organisation Action on Armed Violence (AOAV) berichtet, dass zwischen 2015 und 2018 fast 16.300 Menschen durch Explosivwaffen getötet oder verletzt wurden. Etwa 80 % stammten aus der Zivilbevölkerung. Wenn Explosivwaffen in bewohnten Gebieten zum Einsatz kamen, so waren laut Bericht von AOAV 95 % der Opfer Zivilist*innen.