Co-Preisträger Friedensnobelpreis

„Ich habe Angst um meine Tochter“

Nothilfe
Irak

Vor knapp einem Monat ist die Familie von Sinat im Flüchtlingslager von Khazer angekommen, in dem ungefähr 30.000 Menschen leben, die aus der Stadt Mossul und Umgebung geflohen sind. Sinat leidet an zerebraler Kinderlähmung und ihre Eltern machen sich große Sorgen um ihre Gesundheit. Ein Team von Handicap International besucht die Familie und behandelt das kleine Mädchen mit Physiotherapie.    
 

Hana und ihre Kinder sitzen auf einem bunten Teppich in ihrem Zelt

Angstvoll und dennoch erleichtert, endlich in Sicherheit im Flüchtlingslager zu sein: Hana und ihre Kinder haben viel durchgemacht | © E. Fourt / Handicap International

Hana sitzt auf dem Fußboden und hält zwei ihrer drei Kinder in den Armen. Sinat ist beinahe zwei Jahre alt und scheint fest zu schlafen. Neben ihr schaut ihr kleiner Bruder (4 Monate alt) zu, wie das Team von Handicap International das Zelt der Familie betritt. Mohamad, der Physiotherapeut, und  Diana, die Sozialarbeiterin, stellen sich bei Hana vor. Nachbarinnen hatten sie informiert, dass eines der Kinder an zerebraler Kinderlähmung leidet und wollten ihr helfen. Hana nimmt das Angebot gerne an und lädt sie ein, sich neben einer Wiege aus Holz auf den Matratzen niederzulassen, die auf dem Fußboden liegen. Sinat wacht auf, als Mohamad sie auf den Arm nimmt. „Ich habe erst vor Kurzem erfahren, woran meine Tochter leidet“, erklärt Hana dem Physiotherapeuten.

„Als Sinat geboren wurde, hat sie gar nicht geweint. Da habe ich sofort verstanden, dass etwas nicht stimmte. Die Ärzte haben mir gesagt, dass sie große Schwierigkeiten beim Atmen hatte, dass aber alles gut werden würde. Sie haben sie operiert und gesagt, dass es eine weitere Untersuchung geben würde, wenn sie ein Jahr alt sei. Erst vor zwei Monaten habe ich erfahren, dass sie an einer Zerebralparese leidet“, fügt sie hinzu.

Mohamad gibt eine erste Einschätzung über den Gesundheitszustand von Sinat. „Sie hat eine schwere Verformung der Wirbelsäule und der Hüfte. Physiotherapie ist für die Kleine absolut notwendig und wenn wir nicht sofort reagieren, wird sich ihr Zustand sehr schnell verschlechtern“, erklärt er, während er mit dem Baby einige Übungen macht. Er erklärt jeden seiner Handgriffe, damit Hana sie ab sofort täglich wiederholen kann. Die Mutter von Sinat ist sehr konzentriert, sie stellt Fragen und beobachtet sehr aufmerksam die Bewegungen des Physiotherapeuten.

„Ich habe große Angst um sie. Wir haben zwei Jahre voller Schrecken hinter uns, Exekutionen, Drohungen, Explosionen aller Art…. Gott sei Dank kann ich mich nicht über das Leben hier im Lager beklagen, nach all dem. Aber ich bin immer noch sehr angespannt, wenn ich an die Zukunft meiner Kinder denke. Sinat macht mir mit ihrer Krankheit besonders Sorgen. Ich möchte so gern, dass sie wie alle anderen Kinder ihres Alters aufwachsen kann…“ Hana, Mutter von Sinat

Als die Behandlung zu Ende ist, nimmt Hana Sinat in ihre Arme. „Wissen Sie, was die Ironie bei dieser Geschichte ist?“ fragt sie uns dann ganz ruhig. „Wir kommen eigentlich aus Khazer. Vor zwei Jahren, als die Gruppen des Islamischen Staates in unser Dorf gekommen sind, sind wir nach Mossul geflohen. Wir hätten niemals gedacht, dass sie die Kontrolle über eine so große Stadt erlangen könnten. Heute sind wir wieder zurück in dem Dorf, aus dem wir ursprünglich kommen, aber wir leben in einem Lager. Ich hoffe, dass wir bald in unser Haus, das wir vor zwei Jahren verlassen haben, zurückkehren können. Wieder zu Hause zu sein würde mir sehr helfen, mir nicht so viele Sorgen um meine Kinder zu machen.“

6 Dezember 2016
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

"Wäre ich in meiner Hütte geblieben, wäre ich jetzt tot"
© HI 2023
Nothilfe

"Wäre ich in meiner Hütte geblieben, wäre ich jetzt tot"

Zyklon Mocha ist am 14. Mai über weite Gebiete in Bangladesch und Myanmar hinweggefegt. Besonders schlimm hat es das Flüchtlingslager in Cox’s Bazar getroffen. Unsere Teams hatten vorher rund um die Uhr gearbeitet, um möglichst viele Menschen mit Behinderung rechtzeitig zu evakuieren. Nun begutachten wir die Schäden, um möglichst schnell vor allem denjenigen zu helfen, die alles verloren haben.

Rema: Ich lag 30 Stunden unter den Trümmern
© HI
Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

Rema: Ich lag 30 Stunden unter den Trümmern

Die 13-jährige Rema hat das Erdbeben in Syrien überlebt. Sie lag 30 Stunden unter den Trümmern. Schließlich wurde ihr Bein an Ort und Stelle amputiert, um sie zu befreien. Hier erzählt sie ihre Geschichte:

Erdbebengebiet in Syrien: Blindgänger und Minen unter dem Schutt
© HI
Nothilfe

Erdbebengebiet in Syrien: Blindgänger und Minen unter dem Schutt

Syrien ist stark mit Landminen und Bombenresten verseucht. Diese liegen insbesondere im Nordwesten, dort, wo die Konflikte seit Jahren anhalten und dort, wo das Erdbeben die Region erschütterte. Die Gefahr für Familien und humanitäre Einsatzkräfte ist hoch. Unsere Spezialist*innen informieren Hilfskräfte, klären in Notunterkünften auf, verteilen Flugblätter und gehen von Haus zu Haus.