Co-Preisträger Friedensnobelpreis

Libyen – Eine Hotline, die Leben rettet

Minen und andere Waffen Nothilfe Öffentlichkeitsarbeit
Libyen

Überreste des Krieges bedeuten in vielen Gegenden eine ständige Gefahr, zum Beispiel für Bauern und Kinder auf dem Schulweg. Doch nur wenn bekannt ist, wo die Gefahrenstellen sind, können diese geräumt werden. Handicap International hat dafür extra eine Hotline eingerichtet.

Auch wenn der Bürgerkrieg zum größten Teil vorbei ist, sind seine Überreste allgegenwärtig. Landminen, nicht explodierte Munitionen, Granaten, Raketen – es gibt viele gefährliche Gegenstände. Sie zu räumen ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Handicap International in Libyen. Doch da die Räumung der Kriegsreste ein langwieriger Prozess ist, muss die Bevölkerung dringend über die Gefahren Bescheid wissen, die von diesen explosiven Waffen ausgehen. Mitarbeiter von Handicap International, die direkt aus den betroffenen Gemeinschaften rekrutiert werden (Community Liason Teams), wie Joma Sabti und Wedad Dwini, verteilen zum Beispiel Broschüren, die den Menschen helfen, die gefährlichen Überreste des Krieges zu erkennen, oder gehen in Schulen, um dort die Kinder zu warnen. Kinder sind besonders gefährdet: Aus Neugier spielen sie oft mit zurückgelassener Munition und explosiven Waffen. Die Folge: Noch immer werden Kinder verletzt und manchmal auch getötet. Handicap International sendet Teams aus, die in Kindergärten und Schulen Risikoaufklärungsarbeit leisten.

Auch eine spezielle Hotline von Handicap International ist Teil der Aufklärungsarbeit. Ein Beispiel aus dem libyschen Alltag: Während Melad Ali Kamadin aus dem Dorf Dafnia (bei Misrata) sein Feld mit dem Traktor pflügt, hört er ein metallenes Kratzen. Der Pflug trifft auf eine Artilleriegranate. Der 55-Jährige stoppt sofort seinen Traktor und ruft die Hotline von Handicap International an. Das Community Liaison Team der Organisation ist schnell vor Ort, um das gefundene Objekt zu identifizieren und zu markieren. Ein ähnlicher Fall: Mohamed Hwiedi hat Angst, auf seinem Feld nahe dem Dorf Dafnia zu arbeiten. Der Boden ist gespickt mit gefährlichen Gegenständen, da hier während des Aufstands von beiden Seiten geschossen wurde, was das Zeug hielt: Granaten, Raketen und alle Arten von explosiven Kriegsrückständen befinden sich in der staubigen Erde und im Umfeld. „Wer weiß, vielleicht sind darunter auch gefährliche Blindgänger”, befürchtet er. Auch er bekommt über die Hotline von Handicap International Hilfe. „Es ist wichtig, dass mein Feld gesäubert wird. Ich muss dort Weizen pflanzen, um wieder ein Einkommen zu haben”, sagt der 43-Jährige. Um seine Familie zu ernähren, braucht er derzeit all seine Ersparnisse auf.

Nachdem das Team von Handicap International ausgerückt ist und einen Bericht über die gefährlichen Funde erstellt hat, kommen Kampfmittelräumungsteams zum Einsatz, die diese Funde beseitigen. Die Räumungsteams von Handicap International bringen jeden Tag aufs Neue eine traurige Ernte ein: jede Menge nicht detonierter Kampfmittel, die auf den ehemaligen Schlachtfeldern zurückgeblieben sind. Jene Waffen und Munitionen, die sicher transportiert werden können, werden gesammelt und später weit abseits von Misrata in großen Mengen in die Luft gejagt. Die anderen werden noch an der Fundstelle gesprengt.

Die Räumung aller betroffenen Gebiete in Libyen ist eine große und schwierige Aufgabe. Paul McCullough (50) ist der erfahrene Einsatzleiter in Misrata. Er wurde von Handicap International schon zu verschiedenen Projekten in Libyen und Bosnien entsandt,  nachdem er 23 Jahre als Royal Engineer in der britischen Armee gedient hatte. Er erklärt das ganze Ausmaß der Gefahr: „Es scheint, als ob Gaddafi alle Arten von Waffen gekauft hat. Heute ist dies eine große Gefahr für Zivilpersonen. Zu viele Kalaschnikows sind in den Händen der zivilen Bevölkerung. Zu viele Unfälle passieren. Und dann ist da noch die Gefahr von nicht detonierten Kampfmitteln. Die betroffenen Gebiete in Libyen zu säubern, ist eine gewaltige Aufgabe“. Ian Forde (43), ebenfalls ehemaliger britischer Soldat (Royal Engineers) und erfahrener Spezialist, betont: „Die Menge an Kleinwaffen und explosiven Überresten in diesem Land ist gewaltig und eine ernsthafte Gefahr für die Zivilbevölkerung“.

Die Räumung eines Militärgeländes in Misrata stellt für die Räumungsteams eine besonders schwierige Aufgabe dar: NATO-Luftangriffe zerstörten hier Munitionsbunker. Infolge der Explosionen wurden Granaten, Munitionen und möglicherweise Landminen Hunderte von Metern weggeschleudert. „Die Räumung dieses Gebiets wird sehr, sehr lange dauern“, weiß Forde.

5 Dezember 2012
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

"Wäre ich in meiner Hütte geblieben, wäre ich jetzt tot"
© HI 2023
Nothilfe

"Wäre ich in meiner Hütte geblieben, wäre ich jetzt tot"

Zyklon Mocha ist am 14. Mai über weite Gebiete in Bangladesch und Myanmar hinweggefegt. Besonders schlimm hat es das Flüchtlingslager in Cox’s Bazar getroffen. Unsere Teams hatten vorher rund um die Uhr gearbeitet, um möglichst viele Menschen mit Behinderung rechtzeitig zu evakuieren. Nun begutachten wir die Schäden, um möglichst schnell vor allem denjenigen zu helfen, die alles verloren haben.

25 Jahre HI Deutschland: Einsatz für Menschen mit Behinderung weltweit
© H. von Heydenaber / HI
Öffentlichkeitsarbeit

25 Jahre HI Deutschland: Einsatz für Menschen mit Behinderung weltweit

Wir feiern Jubiläum – 25 Jahre Einsatz und Leidenschaft für Menschlichkeit und Inklusion – wir freuen uns, dass wir seit 25 Jahren so vieles im Kampf für Gleichberechtigung und Inklusion erreicht haben.

Erster Explosivwaffen-Monitor: Starker Anstieg an zivilen Opfern
© T. Nicholson / HI
Minen und andere Waffen

Erster Explosivwaffen-Monitor: Starker Anstieg an zivilen Opfern

Die gemeinnützige Hilfsorganisation Handicap International (HI) und ihre Partnerorganisationen des internationalen Netzwerks INEW haben den ersten Explosivwaffen-Monitor veröffentlicht. Demnach wurden im Berichtszeitraum 2021/2022 knapp 51.000 Menschen durch Explosivwaffen getötet oder verletzt.