Minenräumer Nouay: „Ich will andere vor demselben Schicksal bewahren!“
Vor zwei Jahren trafen wir Nouay Phonesomxay aus Laos zu ersten Mal, der selbst als Kind einer Streumunition zum Opfer fiel und nun als Minenräumer für Handicap International tätig ist. Im Mai 2016 treffen wir ihn wieder, als er und sein Team in einem Gebiet um das Dorf Ponntong nahe des ehemaligen Ho-Chi-Minh-Pfades explosive Kriegsreste räumen.
Als wir Nouay wiedertreffen, empfängt er uns mit einem breiten Lächeln und voller Stolz auf seine Arbeit, die seinem Land Laos neue Hoffnung gibt. | © Molly Feltner / Handicap International
Unter praller Sonne und bei einer Hitze von 39° Celsius bewegen sich Nouay Phonesomxay und sein Team für Kampfmittelräumung von Handicap International langsam durch die dichte Vegetation innerhalb einer 2500 Quadratmeter großen Fläche. Sie suchen nach Bomben. Genauer gesagt, nach Blindgängern aus Streubomben. Der einst tiefste Urwald in Laos wurde durch die Bombardierungen der USA während des Vietnamkrieges so beträchtlich vermindert, dass jetzt nur noch Unkraut und Dornengestrüpp dort wachsen.
Während des Vietnamkriegs benutzten die Nordvietnamesen den Ho-Chi-Minh-Pfad, um Versorgungsgüter durch Laos zu bringen und damit die Truppen in Südvietnam zu unterstützen. Diese Route wurde von US-Truppen schwer bombardiert – seither ist die Anzahl an explosiven Kriegsresten aus Streubomben, so genannten Blindgängern, in diesem Gebiet sehr hoch.
Trotz des schwierigen Geländes haben die Kampfmittelräum-Teams schon neunzehn Bomben an diesem Ort gefunden. Nouay bewegt sich schlangenlinienförmig auf seiner abgesteckten Fläche nach vorne: in der einen Hand den Metalldetektor und in der anderen eine Schaufel. Plötzlich ertönt ein lauter Warnton von seinem Metalldetektor und er kniet nieder, um den Boden mit seiner Schaufel zu untersuchen. Dieses Mal findet er ein harmloses Stück Metall.
Erst als wir Nouay aus der Nähe betrachten, wird seine Behinderung für uns sichtbar - ihm fehlen vier Fingerspitzen an der rechten Hand und er hat Narben auf seinen Händen und im Gesicht. Als er neun Jahre alt war, fand er beim Spielen einen Gegenstand, den er für einen Stein hielt. Als er diesen auf den Boden warf, gab es eine Explosion und Granatsplitter trafen seine Hände, sein Gesicht und sein linkes Auge. Er hatte einen von den mehr als 270 Millionen Blindgängern aus Streubomben, auch „Mini-Bomben“ genannt, gefunden, die zwischen 1964 und 1973 über Laos niedergeregnet waren.
„Ich bin sehr stolz darauf, für Handicap International zu arbeiten.”
Selbst mit seiner Behinderung bearbeitet Nouay seinen Bereich genau wie die anderen Minenräumenden auch. „Manchmal schmerzt meine Hand, wenn sich das Wetter ändert, aber ich mache dann einfach weiter, weil meine Arbeit andere Menschen vor Unfällen wie meinem beschützt.”
2014 ist Handicap International in das Dorf von Nouay gekommen, um Menschen über die Gefahren von Blindgängern aufzuklären und ihnen zu erklären, wie man diese erkennen und vermeiden kann. Auch erfuhren die Menschen dadurch, wie man eine mutmaßliche Bombe meldet. „Nach dem Sicherheitstraining ging ich zu dem Teamleiter und fragte ihn, ob Handicap International noch Mitarbeiter bräuchte”, erzählt uns Nouay. „Als er dies mit ‘ja’ beantwortete, fragte ich, ob sie einer Person mit einer Behinderung wie mir eine Chance gäben. Er sagte, ich solle mich bewerben und letztendlich wurde ich als neues Mitglied im Team von Handicap International angenommen.”
Nouay und sein Team leben zusammen. Sie arbeiten 21 Tage lang immer von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr, bevor sie wieder nach Hause gehen und den Rest des Monats ausruhen. Es ist eine schwere Leistung für den gerade einmal 20 Jahre alten Nouay, aber er weiß, dass noch viel Arbeit in der Kampfmittelräumung auf ihn wartet. Die Nationale Regulierungsbehörde von Laos schätzt, dass es mit dem derzeitigen Tempo noch weitere 100 Jahre dauern wird, bis das Land vollständig von explosiven Waffen geräumt ist.
„Es gibt noch so viele verseuchte Gebiete in Laos. Wir brauchen Handicap International. Wir brauchen mehr Kampfmittelräumung, mehr Risikoaufklärung der Bevölkerung und mehr Leute, die für Frieden in der Welt einstehen. Ich hoffe, dass ich in der Zukunft meine Geschichte mit Menschen in Dörfern von ganz Laos teilen kann. Ich will helfen, dass sie sicher leben, und ihnen zeigen, dass ein Mensch mit einer Behinderung etwas Wichtiges in seinem Leben tun kann.”