Minenräumung im Jahr 2018
Das Voranschreiten der Minenräumung hängt immer davon ab, wie sich die Bedingungen im jeweiligen Einsatzland verändern. Thomas Hugonnier, Leiter der Minenaktionen bei HI, erklärt, welchen Einfluss das auf die derzeitigen Entminungseinsätze von HI hat.
Minenräumungsteams von HI säubern ein Feld im Irak, das vor 14 Jahren wärhend der US-Intervention bombardiert wurde. | © Blaise Kormann/L’illustré/HI
„Ich beginne mit zwei sehr unterschiedlichen Beispielen: In Kolumbien räumen wir seit Anfang letzten Jahres Minen. In diesem Land stimmen wir mit dem Wortlaut des Ottawa-Vertrags überein1. Damit meine ich, dass unsere Minenräumungseinsätze einem Friedensprozess folgen, der zwischen einigen der ehemaligen Konfliktparteien entstanden ist. Im Jahr 2016 wurde eine Vereinbarung unterzeichnet und die Minenräumung konnte unmittelbar danach beginnen. Dabei wird Land befreit, die Anzahl der Unfälle reduziert und das Risiko neuer Spannungen zwischen den ehemaligen Kriegsparteien verringert, die wiederaufflammen könnten, wenn es neue Unfallopfer gäbe. Die humanitäre Minenräumung spielt also eine zentrale Rolle dabei, den Friedensprozess in Kolumbien zu festigen. Sie wurde sogar zum Diskussionspunkt zwischen der Regierung und der ELN (Nationale Befreiungsarmee), die die Vereinbarung nicht unterzeichnet hat. Beide Seiten schlagen nun eine „Friedensgeste“ vor, die zum Beispiel aus humanitärer Minenräumung bestehen könnte und das gegenseitige Vertrauen der zerstrittenen Parteien wieder stärken kann.“
Die Arbeit in Kriegsländern
„Im Gegensatz dazu führen wir im Irak schon seit 2016 Entminungen unter Kriegsbedingungen durch. Der Irak wurde schon in den Kriegen der 1980er und 1990er Jahre kontaminiert, und nun wieder im aktuellen Konflikt. Dieser ist geprägt von intensiven Bombenangriffen und der Verwendung von improvisierten Sprengsätzen (IEDs), die für alle Räumungsteams neue technische und auch ethische Herausforderungen mit sich bringen. “
Das Prinzip der Neutralität
„In unserer Arbeit wenden wir eine ganze Reihe von Prinzipien an. Wir achten ganz besonders darauf, dass die lokale Bevölkerung weiß, dass HI „neutral“ ist. Wir arbeiten einzig und allein für die Sicherheit der zivilen Bevölkerung, und niemals zugunsten irgendeiner Konfliktpartei. Deswegen führen wir unsere Minenräumung in Gegenden durch, die nicht länger als „aktive feindselige Gebiete“ gelten, das heißt, wo keine Frontlinie verläuft und die Kämpfe beendet sind. Wir wählen diese Gebiete basierend auf einer sorgfältigen Analyse über die Konfliktdynamiken aus. Das ermöglicht es uns, in stabilen Gegenden zu arbeiten, in denen Zivilisten versuchen, wieder ein normales Leben zu führen.
Unser zweites Prinzip ist es, willkürlich wirkende Waffen zu bekämpfen. Der Hauptgrund, warum sich HI gegen Antipersonenminen engagiert, ist die Tatsache, dass sie nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen unterscheiden. In ähnlicher Weise werden auch die meisten improvisierten Sprengsätze, die neuerdings in Konflikten verwendet werden, unbeabsichtigt von ihrem Opfer selbst ausgelöst, indem es einen versteckten Draht berührt oder eine Tür öffnet. Unserer Ansicht nach fällt diese Art Waffe unter die Richtlinien des Ottawa-Vertrags. Die Opfer müssen daher gemäß der Bedingungen der internationalen Konvention geschützt werden. Improvisierte Sprengsätze konfrontieren uns außerdem mit einer technischen Herausforderung: Unsere Entminungsteams müssen speziell auf eine Technik trainiert werden, die als High Risk Search (Hochrisikosuche) bekannt ist. Denn keine improvisierte Mine ist wie die andere, und sie aufzuspüren ist knifflig.
Zu guter Letzt versuchen wir, alle humanitären Bedürfnisse im Irak zu erfüllen – die Minenräumung ist nur eines davon. Im Irak leistet HI rehabilitative und posttraumatische Versorgung, Hilfe zur mentalen Gesundheit und psychosoziale Unterstützung für Opfer des Konflikts.“
Mobilisierung der Gemeinden
HI führt aktuell eine Kampagne mit dem Namen „Stop Bombing Civilians!” durch und ruft die Öffentlichkeit zur Unterzeichnung der Petition auf. Damit sollen Staaten dazu gebracht werden, sich gegen die Verwendung von explosiven Waffen in Wohngebieten einzusetzen – denn dies ist eine willkürliche Vorgehensweise, die vor allem Zivilisten tötet und verletzt. Mindestens 43.000 Menschen fielen im Jahr 2016 explosiven Waffen zum Opfer. In bewohnten Gebieten sind 92 Prozent der Betroffenen Zivilisten. Sagen Sie „Nein“ zu Bomben auf die Zivilbevölkerung! Unterzeichnen Sie die Petition.
1 Der Ottawa-Vertrag verbietet die Produktion, Lagerung, Verwendung und den Erwerb von Antipersonenminen. Der Vertrag wurde am 3. Dezember 1997 zur Unterzeichnung eröffnet. Er trat am 1. März 1999 in Kraft. 163 Staaten haben ihn akutell unterzeichnet. 162 Staaten sind Mitgliedsstaaten. Der Vertrag verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ihre mit Minen verseuchten Territorien innerhalb von 10 Jahren zu entminen.