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So helfen wir (Ex-)Prostituierten, den Kreislauf von Gewalt und Angst zu durchbrechen

Inklusion Öffentlichkeitsarbeit Vorsorge und Gesundheit
Ruanda

Eine Gruppe Ex-Prostituierter, die heute erfolgreich ihr Leben meistern, engagiert sich für "neue Mädchen" - damit auch sie eine Zukunftsperspektive haben. Unsere psychologischen Fachkräfte unterstützen sie dabei.

Eine Gruppe von rund 40 Frauen steht vor einem Gebäude

Gemeinsam stark - die Ex-Prostituierten helfen sich gegenseitig bei der Bewältigung der negativen Erfahrungen in der Vergangenheit und in ihrem Alltag | © Wendy Huyghe / Handicap International

In Gihango, im Westen Ruandas, hat sich eine Gruppe von ehemaligen Prostituierten als Selbsthilfegruppe zusammengeschlossen, die auch die „neuen Mädchen“ überzeugen will, sich ihnen ebenfalls anzuschließen. Ein psychologisches Team von Handicap International hilft diesen Frauen, wieder ein erfüllendes Leben zu führen.

“Unsere Gruppe besteht aus 58 Ex-Prostituierten. Sie wächst ständig, da immer mehr Menschen in dieser Gegend von unserer Arbeit hören. Für jede dieser Frauen hat sich die Zukunftsperspektive vollkommen verändert,“ erklärt Patricie Nyrabushiru, eine Ex-Prostituierte und Vorsitzende der Gruppe Twisanzuremubandi.

„Wenn die Frauen das erste Mal zu uns kommen, sind sie häufig drogen- oder alkoholabhängig. Sie sind aggressiv, haben oftmals viel Zeit im Gefängnis verbracht und wurden von ihren Freunden und ihrer Familie abgelehnt. Sie können auch keine Beziehung zu einem Mann eingehen, und sie sehen keine Alternative. Es hat auch bei mir eine Weile gedauert, bis ich einen Ausweg sah. Ich dachte, Prostitution sei der einzige Weg für mich, Geld zu verdienen und meine beiden Kinder, die ihren Vater verloren haben, zu ernähren.”

Das ist eine alltägliche Geschichte. „Vorher roch mein Atem ständig nach Alkohol. Jetzt gehen meine Kinder zur Schule. Das Risiko, dass sie sich selbst später einmal prostituieren, ist somit viel geringer. Mein Kind hat dieselben Zukunftsaussichten wie ein Kind aus einer „normalen“ Familie mit beiden Elternteilen,“ sagt eine junge Frau der Gruppe. „Früher habe ich mich oft verletzt, da ich völlig betrunken durch die Gegend lief. Heute bin ich eine schöne Frau. Ich habe sogar genug Geld, um mir selbst Shampoo zu kaufen,” erzählt eine andere mit einem Lächeln.

Diese Veränderungen in den Verhaltensweisen der Menschen werden durch intensive psychologische Unterstützung in Form von Gruppendiskussionen, Gruppentherapie und Einzeltherapie ermöglicht. Aber Handicap International bietet mehr als psychologische Betreuung an. Mit finanzieller Unterstützung und praktischer Beratung können diese Frauen eigene kleine Betriebe gründen. Sie bauen Ananas, Bananen und Kartoffeln an. Jede kümmert sich um ihre eigenen Geschäfte, doch die Gruppe kauft ihre Waren gemeinsam an, sodass sie von Großhandelspreisen profitieren können. Sie helfen einander bei der Ernte und beim Verkauf. Ein Teil ihrer Einnahmen landet in einer gemeinsamen Kasse. Mit diesem Geld werden Mitglieder unterstützt, die Probleme haben, und Gruppenaktionen organisiert. Dies erlaubt ihnen, einen Lehrer zu beschäftigen, der analphabetischen Mitgliedern der Gruppe das Lesen und Schreiben beibringt.

Handicap International vermittelt diejenigen Frauen, die psychologische oder spezialisierte medizinische Hilfe benötigen, an geeignete Einrichtungen. Die Organisation erteilt auch rechtliche Beratung. „Die Möglichkeit, ihre Kinder offiziell registrieren zu lassen, ist ein wichtiger Schritt. Wir versuchen gemeinsam, die Väter ausfindig zu machen. Falls wir sie nicht finden oder falls sie die Kinder nicht anerkennen wollen, veranlassen wir selbst die nötigen Schritte. Die Tatsache, dass ein Kind „offiziell“ ist und einen offiziellen Status hat, ist von größter Wichtigkeit für das Kind selbst, aber auch für die Mutter, die erst dann anfängt, in die Zukunft des Kindes zu investieren.”

„Ihr solltet stolz auf Euch sein,“ sagt Marie Gaudaence, Psychologin von Handicap International, am Ende der Gruppendiskussion. „Wir als Gruppe haben viel geschafft. Wir können arbeiten, haben zu Essen und können unsere Kinder in die Schule schicken. Wir lieben unsere Familien, wir lieben unsere Kinder, wir lieben uns selbst und wir lieben das Leben,“ schließt sie unter Beifall.

8 April 2014
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