Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Ukraine: Die "Königinnen des Herbstes" gegen das Kriegs-Trauma

Nothilfe
Ukraine

Unsere Teams in der Ukraine organisieren Selbsthilfegruppen in Gemeinden, die besonders stark vom Krieg betroffen sind. Sie helfen den Menschen, ihre schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten, ihre Gefühle zu teilen, Beziehungen aufzubauen und ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken. Viele der Teilnehmerinnen sind älter, viele leiden unter chronischem Stress und ständiger Anspannung.

Eine Gruppe von älteren Damen steht um einen Tisch, auf dem bunt bedruckte Karten liegen. Sie schauen die Karten genau an und nehmen sie in die Hand.

Hilfsmittel wie diese Karten werden von den psychosozialen Selbsthilfegruppen verwendet, um Emotionen zu teilen. | © T. Nicholson / HI

Eine Gruppe von etwa fünfzehn älteren Menschen, meist Frauen, wartet ungeduldig darauf, dass es losgeht. Einige sind Einheimische, andere sind Vertriebene, die in der Stadt Zarytschanka Zuflucht gefunden haben, in der der Workshop organisiert wird. In dieser unscheinbaren Kleinstadt nordwestlich von Dnipro leben 1.700 offiziell registrierte Vertriebene.


Wie Irina Yashchuk, Leiterin des HI-Gesundheitsprojekts in Dnipro, erklärt, sollen die Maßnahmen dazu beitragen, den chronischen Stress zu reduzieren und den Konfliktopfer bei der Bewältigung ihrer Alltagsprobleme zu helfen:


„Die Menschen leben in ständiger Ungewissheit und sagen, dass sie in einem Zustand permanenter Anspannung leben. Wenn man nicht weiß, was passieren wird, kann man nicht in die Zukunft blicken. Die Folge dieses chronischen Stresses ist eine Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands, vor allem bei älteren Menschen".

Zur Einführung wird jeder Teilnehmer gebeten, über alles zu sprechen, was ihm in den Sinn kommt. Für viele ist es die Vergangenheit - und sie weckt heftige Gefühle. Eine Frau erklärt mutig:
"Ich vermisse meine Heimatstadt. Ich kenne hier niemanden und ich rede mit niemandem, aber hier in dieser Gruppe kann ich mich austauschen".


Das Thema der Sitzung ist "Herbst" und die mit dem Wechsel der Jahreszeiten verbundenen Gefühle. Es bilden sich zwei Gruppen, die sich gegenseitig Spitznamen geben: "Herbstköniginnen" und "Goldenes Zeitalter". Auf Papierbögen in Herbstfarben schreiben die Gruppen auf, was der Herbst für sie bedeutet: frische Luft, Natur, Harmonie, schöne Landschaften, die Geburt von Familienmitgliedern und die bunten Blätter.

 

Der Krieg bestimmt das Leben aller Ukrainer*innen


Doch als die Luftschutzsirene ertönt, erstarren sie und die Zeit steht still. Der Krieg ist nie weit weg. 
Olena, eine der regelmäßigen Teilnehmerinnen an der von Handicap International geleiteten psychosozialen Selbsthilfegruppe, meldet sich zu Wort. Sie fühle sich manchmal durch den "Dauerstress der letzten zwei Jahre" deprimiert, finde aber großen Trost in diesen regelmäßigen Treffen. Sie geben ihr "Motivation, Kraft und Energie".

„Heute tobt in der Ukraine ein blutiger Krieg. Die Menschen leiden jeden Tag unter Angst, Sorgen, Raketenbeschuss und Zerstörung ... Alle leiden - diejenigen, die besetzt sind, aber auch diejenigen, die relativen Frieden genießen. Alle sind vom Krieg betroffen. Deshalb brauchen die Menschen psychologische Entlastung, positive Emotionen, psychologische Unterstützung, damit der Krieg sie nicht in den Wahnsinn treibt. Denn das Leben geht weiter“, sagt sie abschließend.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass seit Beginn des Konflikts mehr als 10 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer psychologische Unterstützung benötigen


Die psychosoziale Betreuung der Konfliktopfer ist auch zwei Jahre nach der russischen Invasion eine der Haupt-Einsatzfelder von Handicap International in der Ukraine. Seit 2022 hat HI 3.700 Einzel- und Gruppensitzungen zur psychosozialen Unterstützung organisiert, an denen 6.700 Menschen teilgenommen haben.
 

Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

Ukraine: Überleben nach einem Streubombenangriff
© L. Hutsul / HI
Minen und andere Waffen Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

Ukraine: Überleben nach einem Streubombenangriff

Lidiya wartete in einer langen Schlange auf der Straße, um ihre monatliche Rente abzuholen, als plötzlich eine Streubombe explodierte. Die 75-Jährige wurde schwer verwundet, überall um sie herum sah sie Blut, Verletzte und Tote. Sie hatte noch Glück: Die vielen dicken Jacken, die sie wegen der Kälte übereinander angezogen hatte, retteten ihr das Leben. Und unsere Hilfe hat sie wieder fit gemacht.

Gaza: Wie eine neue Prothese angepasst wird
© K. Nateel / HI
Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

Gaza: Wie eine neue Prothese angepasst wird

In den zwei Reha-Zentren von Handicap International (HI) im Gazastreifen bekommen Menschen, die Gliedmaßen verloren haben, Prothesen und Physiotherapie. Unter ihnen ist der 10-jährige Mohamed.  Er wurde durch eine Panzergranate schwer verletzt und sein Bein musste oberhalb des Knies amputiert werden. Von HI hat er eine Prothese bekommen und macht jetzt seine ersten Schritte.

Gaza: Wie Handicap International vor Blindgängern warnt
© Khalil Nateel / HI
Minen und andere Waffen Nothilfe

Gaza: Wie Handicap International vor Blindgängern warnt

In Gaza kehren tausende Menschen in zerstörte Städte zurück, doch zwischen Trümmern und Schutt lauern Blindgänger. Handicap International (HI) warnt vor diesen explosiven Kriegsresten und zeigt, wie sich die Menschen schützen können. Bereits wenige Informationen können Leben retten.