Co-Preisträgerin Friedensnobelpreis

Hanans Geschichte: Tod aus dem Kühlschrank

Seit sie vor zwei Monaten im Libanon angekommen sind, leben die 31-jährige Hanan und ihr Mann in einem kleinen und sehr dürftigen Flüchtlingslager. Sie haben eine 14-jährige Tochter und einen 10-jährigen Sohn.

Sicht auf ein Flüchtlingscamp im Libanon

Sicht auf ein Flüchtlingscamp im Libanon | © Benoit Almeras / Handicap International

 „Wir leben hier im Elend“, sagt sie.

Wir treffen sie im voll besetzten Familienzelt. Hanan hat es nicht leicht, ihre Geschichte zu erzählen. Ein Dutzend anderer Menschen (Männer, Frauen und Kinder), die daneben sitzen, unterbrechen sie ständig.

Geschmuggelt

Wir kommen aus dem Regierungsbezirk DZ. Ich arbeitete in einer Textilfabrik, aber wir waren auch Bauern. Unser Bezirk ist recht ländlich geprägt. Nachdem der Krieg begonnen hatte, wurden wir belagert. Vor zwei Jahren flohen wir nach AS., das mehr als 500 km weiter südlich lag.

Wir flohen gleichzeitig mit einer Gruppe von ungefähr 200 Menschen in drei Lastwagen. Wir dachten, es wäre sicherer, wenn wir zusammen blieben. Wir ließen unsere Häuser und unsere Arbeit zurück. Sicherheit war das einzige, das zählte.

Wir flohen um Mitternacht. Es dauerte vier Tage von DZ. nach AS. Vier Tage ohne Wasser, ohne Nahrung. Es war sehr schwierig. Wir nahmen Feldwege und vermieden die Hauptstraßen. Ständig hatten wir Angst, dass wir gefangen werden könnten.

In Sicherheit geglaubt

Als wir in AS. ankamen, dachten wir, dass wir nun in Sicherheit wären. Dem war nicht so. Es ist, als würde man vor dem Tod weglaufen und bei der Ankunft feststellen, dass der Tod dort schon auf einen wartet.

Direkt nach unserer Ankunft wurde die Stadt wieder belagert. Wir wurden in kleinen Zelten untergebracht. Das Camp war riesig, es fühlte sich, an als würden dort zwei Millionen Menschen leben. Wir gehörten zu keiner der Kriegsparteien. Dennoch litten wir unter allen Arten von Waffen und unter den Bombardierungen von allen Seiten. Ständig gab es Explosionen. Andauernd explodierten Autobomben. In den Häusern wurden Sprengsätze versteckt.

Es gab so viele unterschiedliche Sprengkörper, dass man nie wusste, was als nächstes explodieren würde. Kühlschränke waren typische Fallen. Aber in einem Haus konnte alles zu einer Bombe umgebaut werden. Du gingst schlafen und wurdest mitten in der Nacht durch eine Explosion geweckt. Oder du gingst auf den Markt und hörtest, dass jemand in die Luft gesprengt worden war.

Kühlschränke als Explosivwaffen

Zu Kühlschränken hatte jeder eine andere Geschichte auf Lager. Jemand erzählte, dass man bei einem Kühlschrank den Motor ausgebaut und ihn in einen Sprengzünder verwandelt hatte. Ein anderer berichtete, dass er von einer Bombe gehört hatte, die in einem Kühlschrank in der Küche eines Hauses versteckt war. Wieder jemand anderes erzählte von Drähten, die so mit einer Kühlschranktür verbunden waren, dass bei der Öffnung der Tür das ganze Haus in die Luft gesprengt wurde. So viele Geschichten…. Man hätte meinen können, dass dies der Zweck eines Kühlschrankes sei – ihn als Waffe zu gebrauchen. Wir lernten, dass es besser war, keinen anzufassen oder sich ihm auch nur zu nähern.  

Horror, den kein Mensch je sehen sollte

Als Frau musste ich zwei Jahre lang mein ganzes Gesicht und meinen Körper verhüllen. Aber ich konnte trotzdem alles sehen. Es gibt keinen Horror, den ich nicht gesehen habe. Ich sah Menschen sterben. Ich sah Kinder sterben. Ich sah abgetrennte Körperteile, die so ausgestellt worden waren, dass alle sie sehen mussten. Ich habe Dinge gesehen, die kein menschliches Wesen jemals sehen sollte. Dinge, die vielleicht kein menschliches Wesen jemals zuvor gesehen hat.

Dennoch musste ich die täglichen Aufgaben erledigen: einkaufen gehen, die notwendigsten Dinge des täglichen Lebens eben. Mein Mann bekam damals noch sein Gehalt.

Explosionen und Kidnapping

Eines Tages wurde unser Nachbarhaus bombardiert. Das ganze Haus wurde durch eine einzige Druckwelle weggepustet. Drei Menschen starben, eine Frau und ihre beiden Kinder. Am nächsten Tag wurde ein anderes Haus getroffen. Ein alter Mann stand auf dem Balkon, zwei Kinder neben ihm. Ein Knall, und alles war weg. Auf den Straßen lagen Landminen. Ein Mann, den ich kannte, fuhr über eine. Er verlor einen Arm. Die, die fliehen konnten, gingen. Viele konnten das nicht. Andere hatten Verwandte, die entführt worden waren, und sie wollten nicht ohne sie gehen.

In Schulden gestürzt

Wir flohen nach Damaskus und mussten für die Flucht in den Libanon zahlen. Es gab keine andere Möglichkeit. Wir haben jetzt große Schulden. Ich weiß nicht, wie wir das zurückzahlen sollen. Wir konnten nichts mitnehmen. Als wir flohen, hatten wir nur die Kleider dabei, die wir am Leib trugen, sonst nichts. Das einzige, das wir mitnehmen konnten, sind unsere Kinder. Alles, was wir hatten, mussten wir zurücklassen. Das wichtigste war unsere Sicherheit. Unser Haus? Wir wissen nicht einmal, ob es noch steht.

Ich hoffe immer noch, dass sich die Situation in Syrien verbessert. Ich hoffe, ich werde in ein friedliches und sicheres Land, in mein Land, zurückkehren können.

Jede Stimme zählt! Helfen Sie uns bei unserem Engagement gegen die Bombardierung der Zivilbevölkerung und unterzeichnen Sie unsere Petition STOP! Bombing Civilians!

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