Co-Preisträger Friedensnobelpreis

Bosnien-Herzegowina: Nijaz Memic - Minenopfer und Sportler

Inklusion Rechte von Menschen mit Behinderung Rehabilitation und Orthopädie
Deutschland

Ein Mann, der im Krieg von einer Mine verletzt wurde, ist heute der erfolgreichste paralympische Wintersportler des Landes - und möchte eine Skischule für behinderte Menschen eröffnen.

Der ehemalige bosnisch-muslimische Soldat Nijaz verlor bei einer Minenräumungsaktion einen Unterschenkel. Er studierte, klärte die Menschen über die Minengefahr auf - und vertrat sein Land als einziger Sportler bei den Paralympics in Vancouver.

Nijaz liebte den Schnee und die Berge schon vor dem Krieg – und das lag nahe, denn Sarajewo als Wintersport-Stadt war seine Heimat. Wie die meisten seiner Freunde wurde Nijaz als junger Mann als Soldat eingezogen. Die bosnisch-muslimischen Kämpfer waren schlecht ausgerüstet. Seine Aufgabe war es, die Minen zu räumen, die von der serbischen Armee verlegt worden waren und möglichst ins Waffenlager zu bringen. An jenem Septembermorgen 1993 hatte Nijaz vier Minen erfolgreich gefunden und entschärft zur Seite gelegt, die fünfte aber übersah er. Neben ihm trat sein bester Freund auf eine weitere Mine.

Die Mine riss Nijaz seinen Unterschenkel ab, der Einsatz als Soldat war also beendet. Doch erst nach Ende des Krieges erhielt er seine erste Prothese aus bosnischer Produktion. Sobald er wieder aufrecht gehen konnte, beendete er das Gymnasium und begann ein Informatikstudium – als einziges Minenopfer an der Universität von Sarajewo. Seine Erfahrung aus dem Krieg setzte Nijaz auch für andere ein: Er klärte an Schulen und anderen Einrichtungen über die Minengefahr auf, bei Handicap International arbeitete er an einer Befragung von Menschen mit, die von Minen betroffen waren. Immer wieder erzählte er seine Geschichte in den Medien, um andere zu warnen und auch, um anderen Überlebenden Mut zu machen. Bei einem Interview 1997 wurde er von einer jungen, hübschen Fernsehjournalistin befragt… sieben Jahre später haben sie geheiratet. „Nijaz ist unglaublich!“ sagt seine Frau. „Er ist so anders als alle anderen, immer in Bewegung...“

Schon 1995 hatte Nijaz auch wieder mit dem Skifahren begonnen. Seine einfache Prothese war nicht für den Sport gemacht, aber er konnte mit ihr fahren. Und schließlich war er zum 20. Jahrestag der Sarajewo Olympiade 2004 an einer Ski-Show beteiligt, bei der auch das paralympische Komitee auf ihn aufmerksam wurde. Nijaz wurde für die nächsten Spiele nominiert, er erhielt eine bessere Ausrüstung – aber keine Sportprothese und auch kein Geld für die Reise. So begann zunächst sein Marathon durch die Institutionen. Nijaz wollte nach Vancouver fahren, koste es, was es wolle. Schließlich hatte er bei Handicap International Erfolg, danach kamen schnell weitere Unterstützer dazu, und Nijaz flog als einziger Sportler aus Bosnien-Herzegowina zu den Paralympics.
Stolz zeigt er das Foto, wie er die bosnische Fahne trägt, und die Zeitung, in der sein Name an diesem Tag die Schlagzeile bildete – ein „historischer Moment“, titelte der Schreiber. Und der Moderator der Eröffnungszeremonie begrüßte Nijaz Memic als bosnisches Opfer von Landminen.

Nijaz hat viel erreicht und wirkt glücklich mit seiner Frau und der kleinen Tochter Iman. Aber er hat immer noch Träume. Die nächsten Paralympics… und sein größter Traum: eine Skischule für Menschen mit Behinderung zu eröffnen. Seinen Bachelor in Verwaltung hat er schon als Grundlage gemacht, nun braucht er noch das nötige Geld. Aber er ist zuversichtlich. Denn er weiß, was er alles schon erreicht hat, trotz seiner Behinderung.

19 September 2012
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

Syrien: Mit Prothese geht Enas ihren Weg
© A. Rahhal / HI
Rehabilitation und Orthopädie

Syrien: Mit Prothese geht Enas ihren Weg

Ein fehlendes Bein. Ein kleines Mädchen. Und eine enge Freundschaft, die alles verändert: Enas wurde mit einer Fehlbildung geboren – in einem Land, in dem der Alltag ohnehin voller Herausforderungen ist. Doch dann trifft sie auf Physiotherapeutin Fatima. Und plötzlich beginnt Enas zu laufen. Zu rennen. Zu träumen.

Tschad: „Wir mussten kriechen, um irgendwo hinzukommen“
© T. Nicholson / HI
Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

Tschad: „Wir mussten kriechen, um irgendwo hinzukommen“

Heute besuchen Kaltouma und Hassaneih den Markt, treffen Freundinnen und feuern ihr Team bei Fußballspielen an. Kaum vorstellbar, dass sie vor wenigen Monaten noch nicht einmal aus dem Zelt kamen. Ihre Flucht aus Darfur war brutal – doch im Flüchtlingslager Aboutengué begann für die beiden Schwestern mit Behinderung ein neuer Abschnitt.

10 Jahre nach dem Erdbeben in Nepal
© Till Mayer/HI
Finanzierungen Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie

10 Jahre nach dem Erdbeben in Nepal

Vor zehn Jahren bebt die Erde in Nepal. Um 11.56 Uhr Ortszeit am 25. April 2015. Für den damals 17-jährigen Ramesh ändert das alles. Er verliert seine beiden Beine. Heute steht das Land vor einer neuen Katastrophe. Das Versiegen der US-Hilfen trifft Menschen mit Behinderung wie Ramesh besonders stark. Handicap International macht weiter – so gut es möglich ist.