Co-Preisträger Friedensnobelpreis

Gaza: „Wir dürfen nicht versagen“

Minen und andere Waffen Nothilfe
Palästina

Angesichts der schlimmen Situation in Gaza und den düsteren Aussichten für die Bevölkerung sechs Monate nach den Kämpfen stellen sich 30 internationale Hilfsorganisationen gegen das Versagen in Gaza.

Trümmerberge in der Stadt. Auf einem Trümmerteil steht als Grafitti "Love Gaza" geschrieben.

Als UN-Behörden und internationale Nicht-Regierungsorganisationen, die in Gaza tätig sind, sind wir beunruhigt über den begrenzten Fortschritt beim Wiederaufbau des Lebens der Betroffenen und beim Herangehen an die Grundursachen des Konfliktes | © J-B. Richardier / Handicap International

Sechs Monate sind vergangen seit ein Waffenstillstand am 26. August 2014 mehr als sieben Wochen dauernde Kämpfe zwischen der israelischen Armee und bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen beendet hat. Als UN-Behörden und internationale Nicht-Regierungsorganisationen, die in Gaza tätig sind, sind wir beunruhigt über den begrenzten Fortschritt beim Wiederaufbau des Lebens der Betroffenen und beim Herangehen an die Grundursachen des Konfliktes.

Die von israelischer Seite auferlegte Blockade dauert an. Der politische Prozess ist ebenso wie die Wirtschaft gelähmt und die Lebensbedingungen haben sich verschlechtert. Der Wiederaufbau und die Reparatur der zehntausend in den Kämpfen beschädigten oder zerstörten Häuser, Krankenhäuser und Schulen ist beklagenswert langsam gewesen. Sporadische Raketenbeschüsse durch bewaffnete palästinensische Gruppen haben wieder angefangen. Im Großen und Ganzen hat der mangelnde Fortschritt das Ausmaß der Verzweiflung und der Frustration in der Bevölkerung, von der mehr als zwei Drittel palästinensische Flüchtlinge sind, vertieft.

Die Lebensbedingungen in Gaza waren bereits vor der letzten Runde der Kämpfe düster. Die meisten Einwohner waren nicht in der Lage, ihren Nahrungsbedarf zu decken, und die mehr als sieben Jahre dauernde Blockade hat den Zugang zur Grundversorgung einschließlich Gesundheitswesen, Wasser und sanitären Anlagen zutiefst beeinträchtigt.

Aber seit Juli hat sich die Situation dramatisch verschlechtert. Ungefähr 100.000 Palästinenser bleiben diesen Winter heimatlos und leben unter argen Bedingungen in Schulen und Notunterkünften, die nicht für einen langfristigen Aufenthalt gemacht sind. Geplante Stromausfälle dauern bis zu 18 Stunden am Tag. Der sich fortsetzende Zahlungsausfall der Löhne an die Angestellten im öffentlichen Sektor und der mangelnde Fortschritt in der Einheitsregierung erhöhen die Spannungen weiter. Aufgrund der starken Beschränkungen der Bewegungsfreiheit sind die meisten der 1,8 Millionen Einwohner in der Küstenenklave ohne Hoffnung auf die Zukunft gefangen.

Am meisten leiden die Schutzbedürftigsten einschließlich der Älteren, Menschen mit Behinderung, Frauen und fast eine Million Kinder, die in drei großen Konflikten von innerhalb nur sechs Jahren unvorstellbares Leid erlebt haben. Kinder haben keinen Zugang zu Bildung von guter Qualität und mehr als 400.000 von ihnen benötigen sofortige psychosoziale Hilfe.

In diesem Zusammenhang stellt die internationale Gemeinschaft Gaza keine angemessene Hilfe zur Verfügung. Nur ein Bruchteil der in Kairo versprochenen 5,4 Milliarden US-Dollar hat Gaza erreicht. Beistand in Form von Geld für Familien, die alles verloren haben, wurde aufgeschoben, und andere entscheidende Unterstützung steht aufgrund mangelnder finanzieller Mittel nicht zur Verfügung. Eine Rückkehr zu den Feindseligkeiten ist unausweichlich, falls kein Fortschritt erzielt wird und die Grundursachen des Konfliktes nicht angegangen werden.

Israel steht als Besatzungsmacht am meisten in der Pflicht und muss seine Verpflichtungen im internationalen Recht erfüllen. Insbesondere muss es die Blockade innerhalb der Vorgaben der Resolution 1860 des UN-Sicherheitsrats (2009) vollständig aufheben. Der zerbrechliche Waffenstillstand muss verstärkt werden, und die Parteien müssen die Verhandlungen wieder aufnehmen, um eine umfassende Klärung der israelisch-palästinensischen Frage zu erreichen. Alle Parteien müssen internationales Recht respektieren, und diejenigen, die für Verstöße dagegen verantwortlich sind, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Einhaltung der internationalen Menschenrechte und der internationalen Menschrechtsgesetze sowie eine entsprechende Rechenschaftspflicht sind die Grundvoraussetzung für jeglichen dauerhaften Frieden. Daneben ist es zwingend notwendig, dass Ägypten den Grenzübergang Rafah öffnet und zwar am dinglichsten für humanitäre Fälle, und dass die versprochenen Spenden in Auszahlungen umgesetzt werden.

Wir dürfen in Gaza nicht versagen. Wir müssen die Vision Wirklichkeit werden lassen, Gaza zu einem lebenswerten Ort und einem Meilenstein des Friedens und der Sicherheit für alle in der Region zu machen.

26 Februar 2015
Einsatz weltweit:
Helfen
Sie mit

Lesen sie weiter

Syrien: Unterwasser-Räumungen von gefährlichen Blindgängern
© HI
Minen und andere Waffen

Syrien: Unterwasser-Räumungen von gefährlichen Blindgängern

In Syrien sind ganze Landstriche mit nicht explodierten Kriegsresten verseucht – eine tägliche Gefahr für die Zivilbevölkerung. Die Teams von HI entfernen diese Sprengkörper und klären die Menschen über die Gefahren auf. Viele der Blindgänger sind jedoch nicht nur an Land, sondern auch in Seen und Flüssen zu finden.

"Wäre ich in meiner Hütte geblieben, wäre ich jetzt tot"
© HI 2023
Nothilfe

"Wäre ich in meiner Hütte geblieben, wäre ich jetzt tot"

Zyklon Mocha ist am 14. Mai über weite Gebiete in Bangladesch und Myanmar hinweggefegt. Besonders schlimm hat es das Flüchtlingslager in Cox’s Bazar getroffen. Unsere Teams hatten vorher rund um die Uhr gearbeitet, um möglichst viele Menschen mit Behinderung rechtzeitig zu evakuieren. Nun begutachten wir die Schäden, um möglichst schnell vor allem denjenigen zu helfen, die alles verloren haben.

Erster Explosivwaffen-Monitor: Starker Anstieg an zivilen Opfern
© T. Nicholson / HI
Minen und andere Waffen

Erster Explosivwaffen-Monitor: Starker Anstieg an zivilen Opfern

Die gemeinnützige Hilfsorganisation Handicap International (HI) und ihre Partnerorganisationen des internationalen Netzwerks INEW haben den ersten Explosivwaffen-Monitor veröffentlicht. Demnach wurden im Berichtszeitraum 2021/2022 knapp 51.000 Menschen durch Explosivwaffen getötet oder verletzt.