Co-Preisträger Friedensnobelpreis

Johana: Leiterin eines sechsköpfigen Entminungsteams

Minen und andere Waffen
Kolumbien

Johana, 25 Jahre alt, befreit seit vier Jahren kontaminiertes Land in Kolumbien von Minen. Sie koordiniert bei Handicap International (HI) ein sechsköpfiges Minenräumungsteam. Manche von ihnen sind zwanzig Jahre älter als sie. Hier erzählt sie von ihren Erlebnissen.

Johana leitet ein sechsköpfiges Entminungsteam in Kolumbien | © Jules Tusseau/HI

Warum wurdest du Entminerin?

Als ich klein war, wollte ich Ärztin werden. Ich wollte mich um die Menschen kümmern und ihnen helfen. Ich brach die Schule ab, als ich 15 Jahre alt war. Mit 18 war ich bereits Mutter. Dann fing ich an, mir ernsthaftere Gedanken zu machen. Der gewaltsame Konflikt, der seit so vielen Jahren in Kolumbien herrscht, hat bei mir viele Spuren hinterlassen. Ich hatte für mehrere Jahre bei einer amerikanischen Minenräumungsorganisation gearbeitet, bis ich mich bei Handicap International für einen Job bewarb. Seit 2017 bin ich die Leiterin eines sechsköpfigen Entminungsteams im departamento von Cauca, in Cajibo. Innerhalb von vier Jahren habe ich vier Landminen entdeckt. Es ist sehr mühevolle Arbeit. Man braucht viel Geduld und ein Auge fürs Detail.

Was ist deine Aufgabe?

Ich betreue die Arbeit der Entminungsteams: Ich sorge dafür, dass sie immer ihre Maske auf haben, stelle sicher, dass sie sich an den Sicherheitsabstand zueinander halten und betreue das Stochern in der Erde. Ich koordiniere ihre Arbeit und vergewissere mich, dass sie in einem guten gesundheitlichen  Zustand sind - sowohl körperlich als auch psychisch. Denn diese Arbeit erfordert sehr hohe Konzentration.

Wo hast du mit dem Entminen bei Handicap International begonnen?

Wir starteten damit vergangenen Juli in einem Stadtbezirk von Cajibo (Cauca). Dort haben wir, entlang des Panamerikanischen Highways, ein  411 Quadratmeter großes Feld von Sprengsätzen befreit. Die Arbeit dort war sehr mühsam, kompliziert und zeitaufwendig, da die Straße sehr laut und das Gebiet mit Metall verschmutzt ist. Daher konnten wir in diesem Fall keine Metalldetektoren verwenden. Sie würden die Sprengsätze nicht erkennen und wir würden das ertönende Signal nicht hören. Daher musste das Team die Grasflächen kurz schneiden und manuell in der Erde entlang des Felds stochern. Wir haben dort einen Sprengsatz entschärft – eine Mine, die einen Menschen schwer verletzten oder gar hätte töten können. Darauf ist das Team sehr stolz. Wir haben vielleicht das Leben einer Person gerettet.  

Wie kommst du mit der täglichen Angst zurecht?

Angst? Man verspürt sie die ganze Zeit. Das wichtigste ist, die Sicherheitsregeln zu befolgen. Und den Vorgang Schritt für Schritt durchzuführen. Man muss sich die Zeit nehmen und darf nicht hetzten. Ich fühle mich wohl.

Ist es einfach, die Rolle als Entminerin mit der Rolle als Ehefrau und Mutter zu vereinbaren?

Nein, es ist nicht einfach. Ich sehe meine Kinder und meinen Mann, Dio Medis, der als Minenräumer in einem Stadtbezirk von Corinto arbeitet, nur alle 6 Wochen. Meine Schwester passt auf die Kinder auf. Meine Kinder weinen viel und fragen nach uns. Aber ich rufe sie jeden Tag an und ich vermisse sie sehr. Aber ich denke immer an ihre Zukunft. Sie sind der Grund - der Hauptgrund - weshalb ich hier bin.

Hast du als Frau Schwierigkeiten als Leiterin des Teams, als Expertin im Bereich Minenräumung und als Respektsperson anerkannt zu werden?

Es ist immer eine Herausforderung, ein Team zu koordinieren – aber es ist ebenso eine Herausforderung für einen Mann. Sie respektieren mich aufgrund meiner Fähigkeiten und Qualifikationen: Ich bin sehr direkt, streng und höre zu. Viele Menschen denken, dass Frauen Männern nicht zu sagen haben, was sie tun sollen. In meinem Team sind auch viele, die deutlich älter sind als ich und als Soldaten gearbeitet haben. Aber wir respektieren uns gegenseitig. In meiner Position ist die Überzeugungsarbeit sehr wichtig. 

Wenn du nicht als Minenräumerin arbeiten würdest, was würdest du tun?

Ich wäre Floristin. In diesem Job hat man einen ähnlich nahen Kontakt zur Natur, den Wunsch den Planeten zu beschützen und etwas Schönes daraus zu machen.

20 November 2017
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