Not in Afghanistan
Die Lage in Afghanistan ist dramatisch. Mohammad Rasool, HI-Mitarbeiter in Afghanistan berichtet von der aktuell kritischen Lage.
Mohammad im HI Rehabilitationszentrum in Kandahar zusammen mit Sulaiman. Er verlor seinen Unterarm bei einer Explosion in seinem Garten. | ©Handicap International
Die Menschen kämpfen nach wie vor mit Hunger, Armut, Flucht und Vertreibung, einer extremen Dürre, der Gefahr durch Blindgänger und Sprengsätzen sowie mit der Bedrohung durch Anschläge durch den IS. Das Gesundheitssystem ist zusammengebrochen und die Wirtschaft steht am Rande des Kollaps. Die Menschen sind sehr verzweifelt, da sie nicht wissen, wie es weitergehen wird. Viele sind traumatisiert. Auf den Märkten sind immer mehr Frauen und Kinder zu sehen, die betteln.
„Die meisten Menschen haben nicht genug zu essen“, berichtet Mohammad Rasool, der als Projekt-Koordinator bei Handicap International in Afghanistan arbeitet. „Dieses Jahr hat es kaum geregnet, die Ernte ist vertrocknet. Außerdem konnten die Bauern wegen der Bomben und Kämpfe die Felder nicht bestellen. Täglich versuchen Tausende von Menschen das Land zu verlassen, um sich zu schützen oder ein besseres Leben außerhalb Afghanistans zu finden. Überall hungern die Menschen und es besteht ein enormer Bedarf an humanitärer Hilfe.“
Wie gefährlich ist Ihre Arbeit?
„Für uns ist alles sehr kompliziert. Wir haben Angst und wissen nicht, was noch auf uns zukommen wird. Wir versuchen auf jeden Fall, unsere Teams so gut wie möglich zu schützen. Wir vermeiden Gegenden, die mit explosivem Material verseucht sind. Und wir schulen unsere Mitarbeiter*innen, bevor sie unbekannte Dörfer betreten. Auch die Gefahr von Anschlägen ist sehr groß.“
Wie hoch ist derzeit die Zahl der Verletzten in Afghanistan?
„In Kandahar sind etwa ein Viertel der Menschen, die wir in unserem Rehabilitationszentrum behandeln, Überlebende der gewalttätigen Auseinandersetzungen. Entweder haben sie sich ihre Verletzungen während des jüngsten Konflikts in den letzten Monaten zugezogen, oder sie sind Opfer der Gewalt in den vergangenen Jahren, hatten aber nicht die Möglichkeit, das Reha-Zentrum aufzusuchen. Außerdem kommen noch Menschen, die sich bei Verkehrsunfällen verletzt haben sowie Menschen, die seit ihrer Geburt eine Behinderung haben.“
Können Sie die Geschichte einer Patientin erzählen, die Sie besonders berührt hat?
„Ich werde eine von tausend Geschichten erzählen, weil wir in unserem Zentrum jedes Jahr 9.000 Patienten behandeln. Z.B. die Geschichte von Anisa, einem 8-jährigen Mädchen aus der Provinz Zabul. Ihr Haus wurde von einer Granate getroffen, als sie zu Hause mit ihren Cousins spielte. Anisa wurde schwer verletzt und in mehreren Krankenhäusern behandelt. Leider musste ihr linkes Bein amputiert werden, woraufhin das Mädchen an unser Rehabilitationszentrum in Kandahar überwiesen wurde. Unser Team arbeitete mehrere Wochen lang mit ihr. Nun geht es Anisa schon etwas besser und sie kann sogar manchmal lächeln.“
Wie gefährlich ist der Alltag für die Menschen?
„Das Land ist schon seit Jahrzehnten mit explosiven Kriegsresten übersät. Viele Kommunen sind extrem verseucht. Die Menschen können viele dieser Gegenden gar nicht betreten, es ist einfach lebensgefährlich. In Afghanistan werden täglich Menschen durch Sprengsätze und Munitionsreste verletzt oder gar getötet. Erst jüngst hat ein Siebenjähriger hier in Kandahar seine Beine verloren.“
Was macht HI in Afghanistan konkret?
„Handicap International ist in fünf afghanischen Provinzen mit verschiedenen Projekten tätig. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir die Opfer mit Prothesen und Rollstühlen versorgen, Physiotherapie anbieten und sie psychologisch unterstützen. Ganz wichtig ist auch, dass wir die Menschen über die Gefahren aufklären, die von Minen und Blindgängern ausgehen. Und nicht zuletzt setzen wir uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft integriert werden.“