Westafrika: Inklusion von Kindern mit Behinderung
Seit 2012 leitet Handicap International das Projekt APPEHL für die volle Teilhabe von Kindern mit Behinderung an Bildungsmaßnahmen. Unser Ziel ist es, damit die schulische Situation von 170.000 Kindern mit Behinderung in neun westafrikanischen Ländern zu verbessern. Sandra Boisseau, die unser Projekt von Dakar (Senegal) aus koordiniert, berichtet uns von den Aktionen, die bereits durchgeführt wurden, um die Barrieren im Bereich der Bildung für diese Kinder abzubauen.
Bénédicte Leguezim hat eine Sehbehinderung. Im Alter von 12 Jahren besucht sie die 1. Klasse der Grundschule von Lama Kolide. | © Studio Cabrelli / Handicap International
Wie sieht die schulische Situation von Kindern mit Behinderung in Westafrika aus?
Die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, war von 2000-2008 noch rückläufig, doch jetzt hat sie sich 2008 nicht mehr verringert. UNICEF zufolge lebt mehr als die Hälfte der 58 Millionen Kinder, die keine Schule besuchen, in West- und Zentralafrika. Es gibt mehrere entscheidende Gründe dafür, warum Kinder nicht zur Schule gehen. Dazu zählen unter anderem die Entfernung zur Schule, die Armut der Familien, die gesundheitlichen Probleme des Kindes, das Geschlecht, die soziale Stigmatisierung oder vorhandene Konflikte und Gewalt. Durch die Behinderung werden der Schuleintritt und die schulische Laufbahn der Kinder noch zusätzlich erschwert.
Es gibt Familien, die ihre Kinder mit Behinderung vernachlässigen. Andere hingegen überbehüten ihre Kinder und wollen sie erst gar nicht zur Schule schicken. Aus Mangel an geeigneter pädagogischer Unterstützung gibt es schließlich auch Kinder, die die Schule vorzeitig verlassen.
Wir schätzen, dass ein Viertel der Kinder aus den Regionen, in denen wir tätig sind, nicht zur Schule geht. Wir müssen uns also unbedingt weiterhin dafür einsetzen, dass jedes Kind eine inklusive und qualitativ hochwertige Bildung erhält.
Die Projektgegenden des Projekts APPEHL in Westafrika.
Was macht Handicap International, um die Situation zu verbessern?
Wir möchten die schulischen Bedingungen für 170.000 Kinder mit Behinderung verbessern. Zu diesem Zweck führen wir verschiedene Aktionen durch. Wichtig war für uns zunächst die zahlenmäßige Ermittlung der Kinder innerhalb und außerhalb des Schulsystems. Darüber hinaus stellten wir auch fest, wie viel soziale, medizinische und pädagogische Unterstützung die Kinder erhalten und wie ihre häusliche Betreuung ist. Außerdem führen wir auch Schulungen für Bildungsakteure durch, in denen wir sie für die Bereiche Behinderung, inklusive Bildung und Datenerhebung sensibilisieren und ausbilden.
Neben unseren Aktivitäten organisieren wir auch medizinische Untersuchungen in den Schulen von Dakar. Dabei suchen wir gezielt nach Behinderungen oder Krankheiten, die bei einigen Kindern einen schulischen Rückstand oder einen Schulabbruch zur Folge haben könnten.
Wir erhoffen uns, die Lehrkultur in Bezug auf Menschen mit Behinderung in den betreffenden Ländern nachhaltig zu verändern. So arbeiten wir mit den Organisationen von Menschen mit Behinderung zusammen und ergreifen intensive Maßnahmen zur Sensibilisierung von Bildungsbehörden aus jedem Land. Wir begleiten diese Behörden bei der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems. Wir wünschen uns, dass Kinder mit Behinderung im besten Fall nicht mehr in spezialisierten Einrichtungen untergebracht werden, sondern in jedem Land am allgemeinen Lehrplan teilhaben können.
Welche konkreten Ergebnisse zeigen die Aktivitäten bisher?
Im Jahr 2015 haben wir im pädagogischen Bereich nahezu 2.200 Bildungsakteure rund um die Themen Behinderung und inklusive Bildung sensibilisiert und ausgebildet. Hierzu zählten Schulleiter und -leiterinnen, Lehrer und Lehrerinnen sowie pädagogische Betreuer aus über 500 verschiedenen Schulen.
Wir konnten die schulischen Bedingungen unmittelbar verbessern. Mehr als 10.000 Kinder mit Behinderung – ein Viertel von ihnen ging nicht zur Schule – haben nun vereinfachten Schulzugang sowie schulische Unterstützung, Teilhabe und Betreuung.
Wir haben innovative Aktivitäten entwickelt, die die Inklusion von Kindern mit einer schweren geistigen Beeinträchtigung oder einer Behinderung der Sinnesorgane in ein normales Umfeld fördern.
In Togo haben wir ein Netzwerk aus Lehrern aufgebaut, die in ganz Togo tätig sind und gewährleisten, dass Schulkinder mit einer schweren geistigen Beeinträchtigung oder einer Behinderung der Sinnesorgane in einem normalen schulischen Umfeld begleitet werden. Nahezu 50 Schulen in Liberia, Mali und Togo wurden mit pädagogischen Materialien ausgestattet, die speziell auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten sind (pädagogische Koffer mit Rechenhilfsmitteln, mathematischen Vergleichszeichen, Bilderbüchern, großen Schiefertafeln usw.).