Co-Preisträger Friedensnobelpreis

„Wie ein Fisch auf dem Trockenen“

Nothilfe Rehabilitation und Orthopädie
Libanon Syrien

Seit er bei einem Bombenangriff verletzt wurde, ist der 20-jährige Ali querschnittsgelähmt. Der  syrische Flüchtling lebt nun mit seiner Familie in einem Camp im Beqaa-Tal im Libanon. Seit ein paar Monaten hilft ihm unser Team dabei, mit seiner Behinderung wieder aufrecht zu leben.

Ali in einem Camp im Rollstuhl, auf seinem Schoß sein kleiner Bruder Mohammed

© N. Matelle / Handicap International | Ali und sein kleiner Bruder Mohammed

Der Frühling hält Einzug im Beqaa-Tal. Der weiße Mantel aus Schnee, der die Hänge des Tales bedeckte, ist nun geschmolzen und hat sonnige Felder freigelegt. Doch mit jedem Jahr, das vergeht, werden die Felder kleiner – und die Flüchtlingslager wachsen. Mittlerweile gibt es im Libanon bereits etwa 4.000 inoffizielle, eilig improvisierte Zeltlager, von denen 2.500 im Beqaa-Tal verstreut sind. Heute fährt unser Team nach Madjel Anjar im Herzen des Tals, um sich mit Ali zu treffen. Der junge Mann begrüßt Elias, den Sozialarbeiter, und Cynthia, die Physiotherapeutin des Teams, vor dem Zelt seiner Familie.

Obwohl Ali früher auf den Feldern in Syrien gearbeitet hat, hätte er nie daran gedacht, eines Tages selbst auf einem leben zu müssen, schon gar nicht im Libanon. Das war, bevor einige tragische Sekunden sein Leben für immer veränderten. Mit verschränkten Armen und müdem Blick erzählt er:

„Wir waren zusammen mit meinem Vater auf dem Rückweg von der Moschee und wollten unsere Nachbarn besuchen. Wir hatten die Wohnung gerade betreten, als diese von einer Bombe getroffen wurde. Meine Nachbarn sind alle tot. Mein Vater verlor einen Teil seines Gehörs und mich traf ein Schrapnell, das sich in meine Wirbelsäule bohrte.”

Alis Vater Fatih erklärt, dass sofort ein Krankenwagen da war, um die beiden ins Krankenhaus zu fahren. Ali blieb dort drei Tage lang und anschließend einige Monate daheim im Bett. Während der ganzen Zeit verschlimmerten sich die Bombenangriffe und die Stadt befand sich nach und nach unter einer Belagerung. Sie erkannten, dass die Situation zu gefährlich wurde. Der Vater verkaufte seinen Laden und einige Wochen später kam die Familie im Libanon an.

Unser Team erfuhr kurz nach Alis Ankunft von ihm. Wir ermöglichten ihm Physiotherapie und versorgten ihn mit wichtiger medizinischer Ausrüstung (einer speziellen Matratze gegen Wundliegen, einem speziellen Bett, verschiedenen Salben und weiteren Hilfen), um ihm das Leben zu vereinfachen und damit seine Wunden schnell heilen konnten. Heute spricht Cynthia mit ihm über seine Verletzungen, während sich Elias mit der Familie unterhält. Die Jahre gehen vorbei und Ali wird klar, dass er nie wieder wird laufen können. Unser Sozialarbeiter Elias bemerkt, wie schlecht es dem jungen Mann damit geht, und rät ihm, zusätzlich zur Physiotherapie auch an einer psychosozialen Therapie teilzunehmen. „Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was mit mir passiert war. Ich habe nichts aus Syrien mitgenommen. Ich dachte, wir wären nur eine Weile weg, und dass Libanon nur eine Übergangslösung wäre, damit ich wieder auf die Beine komme…“, erklärt Ali, während er seinen Freunden Textnachrichten schreibt, die ebenfalls in andere Länder geflohen sind. 

In Syrien hatte Ali nie gelernt, zu lesen oder zu schreiben. Doch als er sein Heimatland verließ, wollte er den Kontakt zu seinen Freunden, die ebenfalls fliehen mussten, nicht verlieren. Sie bleiben nun über soziale Medien in Kontakt und berichten sich die Geschichten, die sie als Flüchtlinge erleben.

“Meine Freunde leben nun in so vielen verschiedenen Teilen der Welt, “ erklärt Ali. „All diese neuen Länder sind nicht unsere Heimat. Wir sind Fremde. Wir sind wie Fische auf dem Trockenen.“

Ali betrachtet liebevoll seinen kleinen Bruder Mohammed, der am Boden kniet. Der Junge erinnert sich nicht an den Krieg. Er wird im Libanon aufwachsen und wird sein Land nur aus den Geschichten seiner Familie kennen. Ali fällt es immer noch schwer, sich mit seinem neuen Zustand zurechtzufinden. Unser Team wird ihn weiterhin besuchen.

Wir bieten wichtige Unterstützung für Flüchtlinge im Libanon, indem wir Physio- und Ergotherapie sowie psychosoziale Unterstützung anbieten. Außerdem verteilen wir Mobilitätshilfen. Damit helfen wir den syrischen Flüchtlingen, sich physisch und auch psychisch vom Krieg zu erholen. Die körperlichen und geistigen Wunden des Krieges brauchen viel Zeit, um heilen zu können. Doch unsere Teams sind bereit, allen Flüchtlingen, ähnlich wie Ali, Hilfe und Hoffnung zu geben.

25 Mai 2016
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