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Ukraine: Unvorstellbares Leid durch Bombardierung von Wohngebieten

Minen und andere Waffen Nothilfe
Ukraine

Seit dem 24. Februar 2022 und dem Beginn eines groß angelegten militärischen Konflikts in der Ukraine sind Städte im ganzen Land Ziel von verheerenden Angriffen. Großstädte wie Charkiw und die Hauptstadt Kiew werden schwer bombardiert. Nach ersten Berichten wurden 100 Zivilisten getötet und 300 verletzt.

Ein Mann räumt die Trümmer eines beschädigten Wohnhauses in einem Vorort von Kiew auf, das von einer militärischen Granate getroffen wurde.

Ein Mann räumt die Trümmer eines beschädigten Wohnhauses in einem Vorort von Kiew auf, das von einer militärischen Granate getroffen wurde. | © Daniel LEAL / AFP

Bombardierungen und Granatenbeschuss in bewohnten Gebieten treffen die Zivilbevölkerung auf tragische und vorhersehbare Weise. Handicap International (HI) fordert die sofortige Beendigung der Kampfhandlungen und den Schutz der Zivilbevölkerung sowie der zivilen Infrastruktur. Der Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten muss aufhören. Zivilist*innen in der Ukraine müssen Zugang zu humanitärer Hilfe haben und sie müssen geschützt werden, wenn sie vor dem Konflikt fliehen. Vor allem für Menschen mit Behinderung und ältere Menschen ist der Zugang zu humanitärer Hilfe schwierig.

Ein wiederkehrendes Muster

Die jüngsten Konflikte, die durch den massiven Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten gekennzeichnet waren - wie in Syrien, Jemen und Irak, aber auch bereits in den vergangenen Jahren in der Ostukraine und in Berg-Karabach 2020 - zeigen ein wiederkehrendes Muster von verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung.

Wenn Explosivwaffen in bewohnten Gebieten eingesetzt werden, kommen 90 % der verletzten und getöteten Menschen aus der Zivilbevölkerung. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine zwischen 2014 und 2021 wurden mehr als 14.000 Menschen getötet, darunter fast 3.400 Zivilist*innen. Laut eines UN-Berichts stammten 89 % der durch Explosivwaffen verursachten Opfer dabei aus der Zivilbevölkerung. Folgen dieser Angriffe und die daraus resultierenden Verletzungen sind komplex, schwer zu heilen, können lebenslange Schmerzen oder Beschwerden verursachen und führen häufig zu dauerhaften Behinderungen. Auch das psychologische Trauma durch Bombardierungen kann eine ganze Bevölkerung in Mitleidenschaft ziehen.

Dr. Eva Maria Fischer, Leiterin der politischen Abteilung bei HI-Deutschland erklärt: „Die Folgen des Einsatzes von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten sind tragischerweise vorhersehbar. Die meisten der getöteten oder verletzten Menschen stammen aus der Zivilbevölkerung. Die Folge von Bombardierungen sind komplexe Verletzungen und psychologische Traumata. Die Bevölkerung wird vertrieben und lebenswichtige Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser, Brücken, die Stromversorgung und die Versorgung mit sauberem Wasser werden zerstört. Explosive Überreste bleiben und bedrohen die Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg."

Unterzeichnen Sie unsere Petition "Stop Bombing Civlians" gegen Bomben auf Wohngebiete!

Der Einsatz verbotener Waffen

In Berichten der Vereinten Nationen wird auch der Einsatz von illegalen Waffen erwähnt. Nach Angaben von Amnesty International wurde am 25. Februar eine Vorschule in der Stadt Ochtyrka in Oblast Sumy im Nordosten der Ukraine von Streumunition getroffen. Dies sind grausame Waffen, die seit 2008 durch den Osloer Vertrag verboten sind. Zivilist*innen waren in die Schule geflüchtet, der Angriff tötete drei Menschen, darunter ein Kind. Ein weiteres Kind wurde verwundet. Der Angriff scheint von russischen Streitkräften verübt worden zu sein, die in der Nähe operierten.

Die humanitäre Lage

Fast 8 Millionen Menschen sind von dem Konflikt betroffen. Die UNO schätzt, dass die Zahl der Vertriebenen auf bis zu 5 Millionen Menschen ansteigen könnte. In einer solchen Notlage haben Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen oft große Schwierigkeiten, zu fliehen, ihre Grundbedürfnisse zu decken oder eine Unterkunft zu finden. Auch der Zugang zu humanitärer Hilfe ist für sie schwierig.

Der Zugang zu humanitärer Hilfe wird ein großes Problem darstellen: 2021 wurde die humanitäre Hilfe für die am stärksten betroffenen Gebiete in der Donbas-Region blockiert, so dass die Bevölkerung von Donezk und Luhansk – insbesondere die in den 'nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten‘ isoliert ist und nur begrenzten oder gar keinen Zugang zur Grundversorgung hat. Die Corona-Beschränkungen haben die Situation noch verschlimmert.

HI-Nothilfe-Einsatz in Vorbereitung

Handicap International bereitet derzeit die Entsendung einer Erkundungsmission in die Ukraine und in die Nachbarländer Rumänien, Polen und Moldawien vor. Sie wird aus zwei Teams bestehen, die sich auf den humanitären Bedarf, die Sicherheit, den Zugang und das Umfeld sowie die Suche nach Partnern konzentrieren werden. HI wird sich auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen konzentrieren, darunter vertriebene Familien, Flüchtlinge, Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderung und ältere Menschen - wobei der sehr hohe Anteil von Menschen über 60 Jahren und mit chronischen Krankheiten in der Ukraine zu beachten ist.

1 März 2022
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